Alasea 02 - Das Buch des Sturms
zwischen ihren zuckenden Beinen niederkauerte. Zum Glück verging der Schmerz ebenso schnell, wie er gekommen war - zumindest fürs Erste. Keuchend lag Vira’ni schlaff zwischen den Kissen.
Leise vor sich hin summend, packte Tante Dedi Vira’nis Beine in den Kniekehlen und zog sie hoch und auseinander. »Hör mal zu, Kind, ich möchte, dass du drückst, wenn ich es dir sage.« Die alte Frau hob den Kopf zwischen ihren Beinen. »Und nicht vorher, hast du verstanden?«
Vira’nis Haare klebten strähnig an ihrer nassen Stirn, und heiße und kalte Schauder liefen ihr am ganzen Körper über die Haut. »Ich will es versuchen.«
Tante Dedi sah stirnrunzelnd zu ihr auf. »Nein. Du wirst es nicht versuchen, du wirst es tun. Haben wir uns jetzt verstanden?«
Vira’ni schluckte einen Klumpen in ihrer Kehle hinunter. »Jawohl.«
»Braves Mädchen.« Tante Dedi beugte sich wieder vor, und ihr Gesicht verschwand zwischen Vira’nis Beinen, um die Stelle genauer zu betrachten. »Was sind das da unten für Male?« fragte sie, wobei sie tastete und drückte.
Vira’ni wusste, es waren die eintätowierten Zeichen der Macht, die der Herr der Dunklen Mächte am Eingang zu ihrem Leib angebracht hatte. »Ich … ich weiß nicht genau …« Dann setzte der Schmerz wieder ein, ohne Vorwarnung, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Vira’nis Rücken bäumte sich von den Kissen auf und krümmte sich, als ihr Leib aufriss.
»Drück!« hörte sie Tante Dedi brüllen, aber es klang weit entfernt. »Drück! Ich sehe den Kopf schon! Drück, sonst verlierst du das Kind!«
Die Worte drangen trotz der Qual in ihr Bewusstsein. Sie durfte ihr Kind nicht verlieren. Nicht schon wieder. Niemals mehr! Mit einem auf ihren gestrafften Lippen erstarrten Schrei rollte Vira’ni die Schultern von den Kissen. Sie presste die Zähne aufeinander und zwang alle Muskeln, einem Ziel zu dienen: dieses Kind in die Welt zu befördern.
»Gleich ist es da … gleich ist es da …«, leierte Tante Dedi vor ihr herunter. »Ich dachte, das Kind ist bestimmt tot. Aber sieh dir nur den kleinen Racker an, der sich da so sehr anstrengt, um herauszukommen!«
Vira’ni missachtete das Gemurmel der Alten. Sie holte noch einmal tief Luft, umklammerte mit der Faust ein Kissen, bohrte sich mit den Fingernägeln in den Stoff und stach sich selbst ins Fleisch der Handfläche, dann stieß sie einen Schrei aus, der die Nacht zerriss, und schob das Kind aus ihrem Leib.
Danach sank sie auf die Kissen zurück wie eine Marionette, deren Schnüre durchgeschnitten wurden. Dort lag sie einige Atemzüge lang, schaudernd und zitternd vor Erschöpfung, bevor die Sorge um ihr Kind sie veranlasste, sich auf den Ellbogen zu erheben. Bis jetzt hatte Tante Dedi noch kein Wort gesagt.
Vira’ni stemmte sich mühsam hoch, voller Angst, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, doch dann sah sie mit großer Erleichterung Tante Dedi mit dem Baby. Ihr Kind hatte seine acht gegliederten Beine um das Gesicht der alten Frau geschlungen und schmiegte sich an deren Schädel. Tante Dedi lag ausgestreckt am Boden des Zeltes, ihre Fersen hämmerten in Todeszuckungen. Vira’ni seufzte, als die vier Flügel ihres Babys in der Luft schlugen, um die feuchten Membrane zu trocknen, bevor es fliegen konnte. Es wimmerte leise und saugte gierig am runzligen Hals der Alten, wobei sich seine Kauwerkzeuge tief in das weiche Fleisch gruben. Blut quoll in dicken Strömen aus den Wunden. Dass Kinder beim Essen immer so eine Schweinerei machten!
Dennoch musste Vira’ni beim Anblick ihres Kindes unwillkürlich lächeln. Es war ein so erhebendes Gefühl, ein Neugeborenes zum ersten Mal nuckeln zu sehen!
7
Elena floh vor der untergehenden Sonne. Schatten jagten sie und das Pferd über die Wiesen. Mit beiden Fäusten krallte sie sich an Rorschaffs schwarzer Mähne fest. Ihr Reittier galoppierte über grünes Gras und platschte durch sumpfige Felder. Sie hatte es längst aufgegeben, des wilden Rittes Herr zu werden: Die Zügel waren außerhalb ihrer Reichweite, und der Hengst hatte ihre gebrüllten Befehle einfach überhört. Flüchtig hatte sie erwogen, aus dem Sattel zu springen, doch bei einem Sturz aus dieser Höhe bei dieser Geschwindigkeit würde sie sich gewiss einen Knochen, wenn nicht gar das Genick brechen. Also drückte sie die Wange an die nasse Mähne des Pferdes und betete im Stillen, Rorschaff möge ein bestimmtes Ziel im Sinn haben.
Doch so viel Furcht ihr die Raserei des Pferdes auch
Weitere Kostenlose Bücher