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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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einflößte, mit dem Herzen war sie weit weg. Was war mit den anderen geschehen? Als sie Kral das letzte Mal gesehen hatte, war der Gebirgler im Gras zusammengebrochen, und ein Pfeilschaft ragte aus seinem Körper. Alles war voller Blut gewesen. Sie drückte die Augen fest zu, als ob sie so das Bild aus ihrer Erinnerung tilgen könnte. Und was war mit ihren anderen Gefährten?
    Er’rils Gesicht schwebte wie ein Geist vor ihrem inneren Auge. Er war ihr Wächter, ihr Beschützer, ihr Lehrer. Selbst wenn sie dem Hinterhalt entkommen war, wäre alles verloren, wenn nicht auch Er’ril dieser Schlinge ausweichen würde. Wie sollte sie das Land Alasea ganz allein durchreisen? Wie sollte sie den Schergen des Herrn der Dunklen Mächte entgehen und die verlorene Stadt A’loatal finden? Nein, sie brauchte Er’ril und die anderen.
    Elena richtete sich im Sattel auf und hielt sich mit noch festerem Griff an Rorschaffs schwarzer Mähne fest. »Halt, du verdammtes Vieh! Halt!« Tränen rannen ihr übers Gesicht, während das Pferd unbeeindruckt weiterrannte. Wie ein Floh, der gegen einen Hund kämpft, bearbeitete Elena das Pferd mit ihren dünnen Armen. Sie musste Rorschaff zum Anhalten bringen, bevor er sie zu weit weg trug. Doch was sie wollte, war dem Schlachtross offenbar völlig einerlei. Als die Dämmerung die Hügel in Schatten tauchte, jagte der Hengst immer noch über die Wiesen dahin.
    »Bitte«, rief Elena flehentlich in das verblassende Licht. »Bitte, halt an!« Verzweifelt sank sie nach vorn und vergrub das Gesicht in Rorschaffs Mähne. »Ich möchte nicht allein sein.« Ihre letzten Worte waren ein Stöhnen.
    Als ob ihr Schluchzen endlich das eiserne Herz des Pferdes erweicht hätte, verlangsamte sich das Hufgetrappel vom schnellen Galopp zum Trab und schließlich zum langsamen Trott. Elena hob den Kopf und sah, dass das Pferd sich einem breiten Fluss näherte, der den Weg geradeaus versperrte; das Wasser lag wie eine silberne Rose im letzten Abendlicht da. Ein Geschwader von Libellen flitzte mit schillernden Flügeln durch das Schilf an seinem sumpfigen Ufer.
    In der Nähe einer einzeln stehenden Weide, deren Äste das flache Wasser streiften, hielt Rorschaff an; seine Muskeln bebten vor Erschöpfung. Elena glitt vom Rücken des Pferdes und wäre beinahe hingefallen, da auch ihre müden Muskeln zu versagen drohten. Sie fing sich jedoch wieder und griff nach den herabgefallenen Zügeln, die vom Hals des Hengstes baumelten. Sie musste das Pferd in Bewegung halten, weil es so sehr erhitzt war. Sie zog an den Zügeln und erwartete, dass sich der störrische Gaul ihr widersetzen würde, doch Rorschaff gehorchte und stapfte brav am Fluss entlang mit ihr weiter.
    Ein Bataillon von Fröschen hüpfte bei Elenas Nahen klatschend ins Wasser, und wütendes Quaken verbreitete sich warnend durch die Reihen. Der Duft von Wasserlilien erfüllte die Abendluft, Lerchen kreisten über dem Wasser und fingen schwirrende Insekten. Elena schlug sich auf den Arm, als eine Bachmücke ihr in die heiße Haut stach. Rorschaff schnaubte und schlug mit dem Schwanz hin und her, um ebenfalls die Stechmücken abzuwehren, die durch sein schwitzendes Fell angezogen wurden.
    Nach einiger Zeit beruhigten sich Rorschaffs zitternde Flanken. Dennoch führte Elena ihn weiter, bis ein kleiner Seitenarm des Flusses den weiteren Weg geradeaus versperrte. Sie ließ ihn von dem Wasser trinken, aber nur wenig. Sie wusste, dass sie das Pferd gründlich abreiben müsste, bevor die Nacht hereinbrach, doch im Augenblick waren auch ihre Beine vor Überanstrengung schwach. Elena kniete sich auf einen flachen Stein am Ufer.
    Sie blickte in die sanfte Strömung und sah deutlich ihr eigenes Spiegelbild im Wasser. Sie streifte die Handschuhe ab und fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschorene Haar. Wer war diese Frau? Ihr Gesicht wirkte so fremd, verschmiert mit Asche und Ruß. Sie beugte sich tiefer, tauchte eine Hand ins kühle Wasser und spritzte es sich an die Stirn und über die Wangen, auf der Suche nach dem Gesicht des Mädchens, das einst im Obsthain ihrer Familie herumgetollt war. Tropfen fielen ihr von der Nasenspitze, und sie beobachtete, wie die aufgewühlte Wasseroberfläche schnell wieder glatt wurde. Sie sah ihrem eigenen gekräuselten Spiegelbild in die Augen. Das Mädchen aus dem Obsthain gab es schon lange nicht mehr.
    Während sie sich so übers Wasser beugte, spürte sie eine Bewegung. Ein kleiner Anhänger war aus dem Ausschnitt ihres Hemds

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