Alasea 02 - Das Buch des Sturms
überraschend, dass es von Krals Körper herunterfiel. In einem wilden Durcheinander aus Flügeln und verhakten Beinen landete es auf dem Rücken.
»Dreh dich schnell um«, zischte Er’ril Kral zu. »Deine Fesseln!«
Kral drehte den Körper um den Pfahl, um die Seile freizulegen, mit denen seine Arme und Schultern angebunden waren. »Beeil dich!« zischte er zu Er’ril zurück. Ganz in der Nähe rappelte sich das Ungeheuer bereits wieder auf und schüttelte die zerknitterten Flügel. Seinen beiden Kieferpaaren entrang sich ein Zornesschrei, der die Nacht durchbohrte.
Mit Schweißperlen auf der Stirn schwang Er’ril flink die Axt. Nach zwei Hieben stand Kral in einem Gewirr von durchgetrennten Seilen.
Das Spinnenungeheuer sprang mit einem Satz an Krals Kehle, doch der Gebirgler schlug dem Geschöpf mit seiner Faust von der Größe eines kleinen Felsbrockens ins Gesicht und befreite sich von ihm. »Weg mit dir, du ekelhafte Bestie!« schrie er. Das Untier rollte ins hohe Gras.
Er’ril befreite die Beine des Gebirglers. »Nimm die Axt!« rief er und gab sich keine Mühe mehr, seine Absicht zu verbergen. »Hacke meine Fesseln durch!«
Kral gehorchte. Der Gebirgler bewegte sich geschmeidig und flink und benutzte die große Axt wie eine Verlängerung seines Arms.
Er’ril schüttelte die Seile ab.
»Befrei mich auch!« wimmerte Mogwied laut.
Er’ril deutete auf den Gestaltwandler. »Befrei Mogwied und Merik, und dann haltet das Untier hier! Ich laufe Vira’ni und dem Mädchen hinterher.«
»Warte!« rief Kral warnend. Sein Blick war zum Rand der Wiese gerichtet. »Da kommt es wieder!«
Das Untier machte einen Satz vom Rand der Wiese. Seine Stielaugen funkelten rot vor Zorn, grünes Gift tropfte und zischelte aus seinen sabbernden Kiefern. Aber es stand anscheinend wackelig auf den Beinen. Sein Körper bebte, und sein geschwollener Bauch zuckte in Krämpfen. Es brüllte - nicht vor Zorn, sondern vor Schmerz.
»Da stimmt was nicht«, murmelte Kral.
»Befreit mich!« schrie Mogwied erneut; Speichel glänzte auf seinen Lippen.
Merik sprach jetzt zum ersten Mal, und seine Worte waren an Mogwied gerichtet. »Narr, halt den Mund!«
Offenbar fühlte sich das Untier von ihren Stimmen angelockt und machte ein paar taumelnde Schritte auf sie zu, dann blieb es plötzlich stehen, als sei es unsicher geworden. Seine Augenstiele schwenkten wild hierhin und dorthin, und seine Beine wurden anscheinend weich. Es versuchte, noch einen Schritt zu tun, stattdessen stürzte es jedoch zu Boden. Es zappelte im Schlamm und schlug ein paar Mal schwach mit den Flügeln. Nach einem letzten heftigen Beben lag es schließlich schlaff da. Das Funkeln in seinen Augen war erloschen.
»Es ist tot«, sagte Mogwied, und seine Worte klangen erleichtert.
»Aber wodurch ist es gestorben?« fragte Kral.
Er’ril ging nicht auf die Frage ein und verschwendete auch selbst keinen Gedanken an das offenkundige Wunder. Elena war wichtiger.
Doch bevor Er’ril sich auch nur einen Schritt entfernt hatte, quäkte Mogwieds Stimme: »S-s-seht nur!«
Er’ril blickte zurück. Das Untier lag reglos da, seine Augenstiele hingen schlaff herab, doch jetzt trockneten seine Flügel allmählich ein und wellten sich wie von der Sonne versengte Blätter, und die acht Beine zogen sich in den schwarzen Körper zurück. Im Zuge dieser Verwandlung schwoll sein Bauchbereich noch mehr an, und etwas in seinem giftigen Inneren zappelte wie wild und krümmte sich.
»Befreit mich von diesen Fesseln!« kreischte Mogwied. Kral war bereits bei ihm und durchschnitt die Seile des Gestaltwandlers. »Was ist da los?« fragte Kral, während er zu dem Elv’en ging, um ihn ebenfalls von seinen Seilen zu befreien.
Er’ril stand starr und unentschlossen da. »Es verpuppt sich«, erklärte er, »nimmt seine neue Gestalt an.« Er’ril wusste, dass er diese Angelegenheit Kral überlassen sollte. Aber Mogwied würde dem Gebirgler keine Hilfe sein, und Merik war noch zu sehr geschwächt von seiner gewaltigen Beeinflussung des Windes, um von Nutzen sein zu können. Er’ril zögerte. Er fürchtete sich davor, Elena zu verfolgen, ohne zuvor gesehen zu haben, welche Art von Ungeheuer er im Rücken hatte.
Er brauchte nicht lange zu warten.
Die Haut und der Schuppenpanzer am Bauch des Spinnenungeheuers platzten auf, und aus seinem Inneren wehte ein fettig-grüner Dunst in die Nacht hinaus, leuchtend wie ein ekelhafter Pilz auf moderndem Holz. Er’ril hatte das Gefühl, dass der
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