Alasea 02 - Das Buch des Sturms
vom nahen Herd her. Er war ein Mann mit einem dicken Bauch, wie die meisten Köche, bekleidet mit einer fleckigen Schürze, die ihn vom Hals bis zu den Zehen bedeckte und in der Leibesmitte mit einem breiten Band zugebunden war. Seine Wangen glänzten rot von der Hitze der vielen Herde in der Küche. »Du weißt doch, dass er im Kopf nicht ganz richtig ist, also hör auf, ihn zu hänseln.«
»Ich habe gehört, dass seine Eltern ihn im Wald ausgesetzt haben, damit die Wölfe sich über ihn hermachen.« Brant vollführte eine schnipsende Handbewegung in Joachs Richtung.
»M-m-eister will es-essen«, stotterte Joach. Das war das Äußerste, was er an Unterhaltung zustande brachte. Sein Wortschatz reichte notdürftig aus, um die anderen in der Burg über die ihm auferlegten Pflichten in Kenntnis zu setzen. In der Küche wurde sein Gestammel nicht beachtet. Er war so unbedeutend wie irgendein Löffel oder Topf.
»Stimmt nicht«, sagte der Koch. »Ein Pferd hat ihm einen Tritt gegen den Kopf verpasst, und alle dachten, er sei tot. Man war schon auf seine Beerdigung vorbereitet, so war das! Dann kam dieser alte verkrüppelte Ordensbruder daher und hat ihn aufgesammelt und hierher gebracht. Er hat den sabbernden Blödmann gerettet. Wenn das nicht wohltätig ist!« Der Koch spuckte in die Bratpfanne, um die Hitze zu prüfen, bevor er fortfuhr. »Da wir gerade von Wohltätigkeit und Blödmännern reden - wenn du weiterhin in meiner Küche arbeiten willst, dann rührst du besser diesen Eintopf um, sonst brennt das Zeug an.«
Brant senkte murrend den Löffel in den Fischtopf und rührte weiter. »Trotzdem, ich habe bei diesem Jungen ein flaues Gefühl. Er gafft einen so komisch an, und ständig tropft seine Nase. Dabei wird einem regelrecht schlecht.«
Selbst wenn er in der Lage gewesen wäre, seine Lippen zu beherrschen, hätte Joach dem Jungen nicht widersprochen. Seit er auf der Kopfsteinpflasterstraße von Winterberg von dem Dunkelmagiker namens Greschym entführt worden war, stand Joach unter dem Bann des Alten, seinen Befehlen hörig. Obwohl er im Kopf noch lebendig und sich der Vorgänge um sich herum bewusst war und alles fühlte, konnte er nicht dagegen an, dass sein Körper dem Mörder seiner Eltern gehorchte.
Da er sich nicht verständlich ausdrücken konnte, war er nicht einmal in der Lage, auch nur irgendeinen seiner Mitbewohner in der Ordensburg vor dem Verräter zu warnen. Greschym gab sich als weiß gewandeter Bruder des Ordens, doch in Wirklichkeit war er ein Geschöpf des Herrn der Dunklen Mächte.
Eine Tablett mit Tellern voll Fleisch und Käse sowie einer Schüssel mit dampfendem Fischeintopf wurde vor ihn hingeschoben. Joachs Hände umfassten die Griffe des Tabletts. Ihm war befohlen worden, das Abendessen zu holen, und wie immer gehorchte sein Körper. Im Kopf hegte er den Traum, die Mahlzeit zu vergiften, doch er wusste, dass das unmöglich war.
»Mach schon, du sabbernder Schwachkopf!« sagte Brant mit einem verächtlichen Grinsen. »Mach, dass du aus meiner Küche verschwindest!«
Joach wandte sich zum Gehen, sein Körper gehorchte wie immer. Er hörte, wie hinter ihm der Koch den Jungen schalt. »Deine Küche, Brant? Seit wann ist das deine Küche?«
Er hörte einen klatschenden Schlag und einen Aufschrei, doch seine Beine trugen ihn bereits aus der Küche hinaus und durch den Gang.
Während er durch die verwinkelten Flure und über die gewundenen Treppen der Burg schlurfte, um zu den Gemächern seines Herrn zu gelangen, betrachtete er das volle Tablett und verscheuchte alle Gedanken daran, die Mahlzeit zu vergiften. Der Fischeintopf roch nach Knoblauch und Butter, und die Fleischscheiben und der Käse waren großzügig aufgeschnitten. Selbst der Laib Brot schien wunderbar wohlschmeckend zu sein.
Hunger wühlte in seinem Bauch, doch wenn seinem Körper nicht der Befehl erteilt würde, mit dem Dunkelmagiker zu speisen, konnte Joach nichts tun, um seinen leeren Magen zu füllen. Während der vielen Monde, seit er von der Seite seiner Schwester entführt worden war, hatte sich sein Körper in eine Vogelscheuche verwandelt. Oft vergingen viele Tage, bis dem Dunkelmagiker einfiel, seinen Diener zum Essen aufzufordern, und in letzter Zeit waren diese Hungertage immer häufiger geworden.
Joach darbte jetzt meistenteils vergessen dahin und wartete wie ein vernachlässigter Hund auf das nächste Wort seines Herrn.
Als er in einem Saal an einem Spiegel vorbeikam, fiel sein Blick auf sein Ebenbild.
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