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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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schnellen Schiffe seines Volkes eingetauscht gegen die bauchigen Kähne des Archipels. Seit elf Wintern befand er sich nun schon im Exil, um sein am Totenbett gegebenes Versprechen zu erfüllen, und dabei wurde er immer verbitterter, da ein Winter nach dem anderen ereignislos verstrich.
    Doch jetzt - sollte das hier ein Zeichen sein?
    Verwirrt verdrängte Kast diese Gedanken, als er an der Kombüse ankam und sich in den heißen Raum schob. Er brauchte das Mädchen lebend. Vielleicht würden Antworten von ihren Lippen kommen, Antworten, die er seit einem Jahrzehnt suchte, seit dem Tod seines Lehrers. Er würde diese Antworten bekommen!
    Während er das Mädchen in die Wärme der Schiffsküche trug, erspähte Kast Gimli, den Koch, der sich über einen blubbernden Topf beugte, die alten Wangen gerötet vom Kohlefeuer, das braune Haar wegen der Hitze und des Dampfes in klebrigen Strähnen nach allen Richtungen abstehend. Gimli blickte bei Kasts Eintreten auf und hob fragend die Augenbrauen, als er sah, was Kast auf den Armen trug.
    »Was hast du denn da?«
    Kast stieß mit dem Fuß zwei Hocker beiseite und legte das Mädchen auf einen Tisch aus Eisenholz. »Ich brauche trockene Decken und ein mit heißem Wasser getränktes Tuch.« Er vergewisserte sich, dass sie noch atmete. Ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Erleichtert holte er eilends Decken aus einer Nachbarkabine.
    Als er den Küchenraum wieder betrat, zog Gimli gerade ein Tuch aus einem Topf mit kochendem Wasser. Er jonglierte es hinüber zu Kast, der sich bereits anschickte, die zarte Gestalt des Mädchens in schwere, grobe Decken einzupacken.
    Kast nahm das dampfende Tuch. Ohne auf die große Hitze zu achten, rieb er dem Kind das Gesicht und den Oberkörper ab. Das Mädchen stöhnte unter der Berührung, und ihre Lippen bewegten sich, als ob sie spräche, doch es waren keine verständlichen Worte.
    Unter den Augen des Kochs beendete Kast seine Pflege, wickelte das Mädchen vom Hals abwärts in Decken und legte ihr behutsam ein daunengefülltes Kissen unter den Kopf.
    »Wer issen das?« fragte Gimli.
    Kast wusste darauf keine Antwort und schwieg. Er zog einen Stuhl neben den Tisch und setzte sich. Er wollte sichergehen, dass er der Erste war, der mit ihr sprach, wenn sie aufwachte.
    Der Koch zuckte auf Kasts Schweigen hin mit den Schultern, nahm seine Schöpfkelle und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    Als er mit dem Kind allein war, wanderten Kasts Finger zu den grünen Locken, die auf dem Tisch ausgebreitet trockneten. Gimli hatte nicht die richtige Frage gestellt. Er hätte nicht fragen sollen, wer das ist - sondern was.
    Das wusste Kast.
    Er flüsterte der in Decken gehüllten Gestalt ein Wort zu, das ihr Erbe bezeichnete: »Mer’ai.« Er berührte ihre zarte Wange. Hier lag Fleisch gewordene Sage. »Drachenreiter«, ergänzte er, und sein Atem ging schwer.
    Seit uralten Zeiten die Herren der Blutreiter.
     

 
     
    13
     
    Saag-wan schwamm in trüben Träumen.
    Sie sah Männer vor sich mit Mündern voller Haifischzähne … Sie rannte vor einem Drachen davon, verletzt und blutig … Sie verscheuchte einen Seevogel, der mit den Krallen nach ihren Augen schlug. Sie zappelte mit Armen und Beinen, um diesen Schrecknissen zu entkommen. Sie musste fliehen!
    Dann kam plötzlich ihr Vater und hob sie mit seinen starken Armen hoch, entzog sie den Schrecknissen des Meeres. Er küsste sie und brachte sie in Sicherheit. Sie lächelte ihn an und stellte fest, dass sie sich endlich ausruhen konnte. Er würde ihr helfen. Dann versank sie in Dunkelheit, doch war das nicht die kalte Schwärze des Todes, sondern die warme Umarmung des Schlafs.
    Sie schlief tief, bis nach einer gewissen Zeit allmählich ein Drängen in ihrem Herzen wuchs. Sie war dabei, etwas zu vergessen. Nein, nicht etwas - jemanden. Sie stöhnte, während sie sich gegen die Einflüsterungen des Schlummers wehrte. Wen hatte sie vergessen? Dann erfüllte ein neuer Laut ihre Ohren, der alles andere übertönte. Eine derbe Stimme, grob im Tonfall.
    »Die Kleine da - wie se so ausgebreitet aufm Küchentisch liecht - sieht verdammt appetitlicher aus als der Pampf vom Koch, ehrlich, Kast. Wie wär’s, wenn du mich und mein Bruder ’ne kleine Kostprobe von ihr nehmen lassen würdest?«
    Die Dunkelheit um sie herum zerbarst, und Saag-wan öffnete die Augen. Sie befand sich in einem schmalen Raum, der nach Stockfisch und brennenden Kohlen roch. Um sie herum standen mehrere Tische, auf denen

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