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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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schmutziges Geschirr, zerkratzte Löffel und angeknabberte Brotkanten verstreut waren.
    Wo war sie?
    Während sich Erinnerungsfetzen langsam ordneten, zuckte Saag-wan vor den drei Männern zusammen, die auf sie herunterstarrten. Conch fiel ihr ein, gefangen und blutend. Sie erinnerte sich an das verhedderte Netz, in dem sie aus dem Meer gezogen worden war, und erkannte zwei der anwesenden Männer als die beiden Bärtigen, die sie gefangen hatten. Ihre grinsenden Gesichter waren hart, aber nicht so hart wie das des dritten Mannes. Dessen Gesichtszüge ließen die anderen wie Kleinkinder erscheinen. Doch die Härte in seinem Gesicht kündete nicht von roher Grausamkeit wie bei den anderen beiden, sondern erinnerte vielmehr an ein Felsgestein, das das Klatschen der Winterbrandung geformt hat. Aus seinen Zügen strahlte so etwas wie stolzer Edelmut, erworben durch Erfahrung und Taten, nicht durch Geburt und günstige Umstände. Sein schwarzes Haar war aus dem Gesicht zurückgestrichen und enthüllte eine rote und schwarze Tätowierung, einen Falken darstellend, die auf seiner Wange und seinem Hals prangte.
    Sie kannte auch diesen Mann. Ihre Augen wurden von der geschwungenen Linie eines tätowierten Flügels an seinem Hals angezogen, und die Angst in ihrem Herzen ließ ein wenig nach. Er hatte sie gerettet. Er würde sie beschützen.
    Einer der bärtigen Männer ergriff das Wort. »Sieht so aus, als ob dem Blaach meine Stimme gefällt. Ich komm hier reingeschneit, und schon wacht se auf.«
    »Verschwindet«, sagte der Tätowierte mit gedämpfter Stimme. Er wandte nicht einmal den Kopf zu den beiden um.
    »Die Kombüse is ’n Raum für de Allgemeinheit, Blutreiter. Wir ham das gleiche Recht wie du, dass wer hier sind.«
    Der Tätowierte sah sich zu dem Sprecher um. »Du hast bereits gegessen, Hort. Hau ab!«
    »Und ich schätze ma, du könntest uns beides gönnen«, entgegnete der andere mit einem drohenden Unterton. Sein Kamerad stand neben ihm und verstärkte die Bedrohung, die von dem Mann ausging.
    Saag-wan achtete nicht auf die wachsende Spannung. Ihre Augen waren unverwandt auf die Tätowierung des einen Mannes gerichtet. Sie konnte den Blick nicht davon abwenden. Sie starrte die Federkrone auf dem Kopf des Falken an, die scharfen Krallen. So, wie der Fremde den Kopf geneigt hielt, sah es aus, als ob die roten Augen des Falken sie direkt anstarrten, sich tief in sie versenkten.
    Während sie so starrte, merkte sie plötzlich, dass ihr Herz schneller schlug. Sie hatte Mühe zu atmen. Sie konnte nicht umhin, einen Arm aus den Decken herauszuwinden und die Tätowierung zu berühren.
    Es war wie ein innerer Zwang.
    Ihre Finger strichen über einen Flügel, der über den Hals des Mannes verlief. Bei der Berührung schlug der Mann ihre Hand weg und zuckte zusammen, als ob ein Aal ihn gestreift hätte. Er griff nach der Stelle und rieb an der Tätowierung, als ob er versuchte, sie aus seinem Fleisch zu löschen. »Lass das!« sagte er kalt, die Augen argwöhnisch aufgerissen.
    Die Worte, mit denen sie ihm antwortete, kamen aus der Tiefe ihres Herzens. »Ich brauche dich.« Sie streckte die Hand zu ihm aus, und er wich einen Schritt zurück, aus ihrer Reichweite. »Komm!« forderte sie beharrlich.
    Einer der anderen Männer lachte. »Sieht so aus, als ob die Kleine auf Blutreiter steht, Kast. Wenn du mit ihr fertig bist, können wir ihr ja vielleicht zeigen, was richtige Männer …«
    Saag-wan hörte sie nicht. Sie brauchte wirklich etwas, und der Anblick der Tätowierung hatte sie in ihren Bann geschlagen. Sie nötigte sie geradezu, sich an den tätowierten Mann zu wenden. Ein Teil von ihr kämpfte gegen diesen sonderbaren Zwang an, aber sie konnte ihm nicht widerstehen.
    Dem Mann erging es offenbar ähnlich. Er folgte ihrer Aufforderung zu kommen und trat zu ihr, die Augen jetzt vor Zorn zusammengekniffen.
    Er beugte sich über sie und bot ihr seinen Hals dar.
    Sie legte die Hand auf die Tätowierung.
    Er zuckte krampfartig unter ihrer Berührung zusammen, und seine zusammengekniffenen blauen Augen flammten rot auf, passend zu den gierigen, jagdhungrigen Augen des Falken.
    Dem Zwang ihres Blutes gehorchend, sprach sie ihr Bedürfnis aus. »Bring mich weg von hier«, sagte sie. »Ich muss fliehen.«
    »Sofort«, erwiderte er mit leidenschaftlicher Stimme. Er hob sie hoch.
    Die bärtigen Männer gafften sie mit aufklaffenden Mündern an. Einer von ihnen beging den Fehler zu sprechen. »Du gehst mit der Kleinen nirgendwo

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