Alasea 03 - Das Buch der Rache
begann sie zu weinen, und sie zerbrach innerlich. Blut lief ihr über die Schenkel. Kurz danach starb sie und hätte beinahe auch das Leben ihrer Tochter mit sich genommen. »Wa Warum fragst du, Ulster?«
Ulster beugte sich näher zu ihm hinunter. »Es war meine Hand, die die Axt geschwungen hat.«
Pinorr riss die Augen auf. »Nein!«
Der Kielmeister blickte den Schamanen nur spöttisch an. »Es war ganz leicht. Ich musste nicht lange nachdenken. Nach einem Gefecht an Bord der Abgebrochener Zahn fand ich mich mit einem Mal allein deinem Sohn gegenüber. Er sah mich mit einem Lächeln auf seinem mit Blut bespritzten Gesicht an, die Aufregung des Kampfes leuchtete noch aus seinen Augen. Es war dieses Grinsen stolz und prahlerisch. Ich konnte es nicht länger ertragen. Also habe ich meine Axt in sein Gesicht geschlagen. Aber dieser Bastard hat noch im Fallen gegrinst.«
Das Entsetzen stand Pinorr ins Gesicht geschrieben. »Wie… wie konntest du das tun?«
Ulster sah ihm in die Augen. »Willst du mich immer noch heilen, Schamane, jetzt, da du die Wahrheit kennst?« fragte er verächtlich.
Ein schmerzerfülltes Knurren drang aus Pinorrs Kehle. Er stürzte sich auf Ulster, schlug dessen Klinge zur Seite und warf den Mann zu Boden. Ulster rang nach Luft, als er auf den Planken aufschlug. Sein Kopf prallte mit einem lautem Schlag auf das Holz. Benommen löste er den Griff um das Schwertheft.
Pinorr zögerte nicht lange. Er schnappte sich die Klinge, und mit beiden Händen hob er die Waffe hoch, um sie gleich darauf in Ulsters Brust zu stoßen. Die Klinge bohrte sich widerstandslos zwischen den Rippen hindurch und grub sich tief in die Bretter des Schiffs. Aber das reichte Pinorr noch nicht. Seine Arme zitterten vor Anstrengung. Er trieb das Schwert noch tiefer in die Planken, bis das Heft an Ulsters Brust stieß. Dunkelrotes Blut quoll rund um das Heft aus dem Körper. Unfähig, noch tiefer zu stoßen, brach Pinorr wie ein ermatteter Liebhaber über dem Kielmeister zusammen. »Wie konntest du?« schrie er, Tränen trübten seine Sicht. »Er war wie ein Bruder zu dir.«
Ulster würgte schwer an seinem Blut, aber er stieß noch eine Antwort hervor: »Gerade deshalb… deshalb habe ich ihn getötet, Schamane.« Der Blick des Kielmeisters wurde starr. »Er war wirklich wie ein Bruder zu mir glücklich und stolz. Ich konnte es nicht ertragen, dieses Licht in den Augen eines anderen zu sehen.«
Pinorr wurde von Schmerz und Wut erfasst. Laute Schluchzer schüttelten seinen alten Körper, als er von Ulsters Brust rollte.
Der Kopf des Kielmeisters hing so zur Seite, dass er Pinorr anstarrte. Er sprach noch einmal durch blutige Lippen. »Ich konnte es nicht ertragen zu sehen, was man mir genommen hatte.« Ulsters Stimme wurde ganz leise. »Du hättest über das Herz meines Vaters so streng urteilen sollen, wie du über meines geurteilt hast. Du hättest bei den Schreien des kleinen Jungen hinter der verschlossenen Tür aufhorchen sollen.«
Ulster stierte Pinorr weiter an. Es dauerte eine Weile, bis der Schamane erkannte, dass der Kielmeister tot war. Er streckte seine zitternden Finger aus und schloss die Augen des jungen Mannes. »Du hast Recht.«
Der Schamane richtete sich langsam auf. Lange starrte er auf den Toten. Seine Beine fühlten sich taub an. »Ich werde um den Jungen trauern, der du einst warst, Ulster, aber ich kann nicht um das weinen, was aus dir geworden ist. Ich kann deinen Tod nicht betrauern.« Pinorr wandte sich ab. Er fühlte sich leerer als ein hohler Knochen. Stolpernd verließ er den Raum.
Nachdem er die Tür zur Kajüte des Kielmeisters hinter sich geschlossen hatte, wandte er sich ab und ging hinauf aufs Deck. Er würde die Schuld an all dem Blutvergießen auf dem Schiff auf eine Meuterei schieben. Man würde ihm die Lüge glauben. Niemand würde es wagen, einen Schamanen zu genau darüber zu befragen. Niemand würde sich trauen, zu tief zu schürfen.
Blindheit, so hatte er in dieser Nacht gelernt, war oft selbst auferlegt, als Schutz gegen das, was man nicht sehen wollte. Er wischte sich das Blut von den Händen, während er den Flur entlangging.
Als er die Luke von unten aufdrückte, fand Pinorr das Deck lichterloh brennend vor. Der Mast achtern leuchtete wie eine Fackel in der stürmischen Nacht. Einige Männer der Besatzung bearbeiteten den in Flammen stehenden Mast mit ihren Äxten. Sie fällten ihn und kippten ihn ins Meer. Zischend löschte die See das Feuer, und der verkohlte Teil des
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