Alasea 03 - Das Buch der Rache
Masts versank unter den Wellen.
Lauter Jubel erhob sich unter den versammelten Männern und Frauen an Deck. Das Schiff war vor dem sicheren Untergang gerettet, die Gefahr war beseitigt.
Schließlich deutete ein Besatzungsmitglied auf Pinorr.
Mader Geel kam zu ihm. Ihr graues Haar war von Asche geschwärzt. »Ich denke, der schlimmste Teil des Sturmes ist überstanden. Wir hatten Glück«, meinte sie mit einem müden Lächeln. »Beinahe hätten wir das Schiff ans Feuer verloren. Aber es war ein prächtiger Anblick! Wie die Flammen da im Regen tanzten und sprangen.«
Pinorr nickte langsam. »Ja, das Böse trägt oftmals eine ansehnliche Maske.«
Saag wan stand an der Reling der Drachenherz. Zu ihrer Linken beriet sich der Großkielmeister mit seinem Sohn Hant. Zu ihrer Rechten klammerte sich Bilatus mit einer Hand so fest an die Reling, dass die Knöchel weiß hervortraten, während er sich mit der anderen Hand das Gewand am Hals zusammenhielt. Der Wind zerrte an ihnen. Der Regen stach auf die nicht bedeckte Haut ein.
»Man riecht den Rauch im Wind«, stellte Hant fest. Er trug die kleine Scheschon noch immer auf dem Arm. Sie klammerte sich an seinen Hals.
»Aber zumindest konnten sie das Feuer löschen«, bemerkte der Großkielmeister. Er wandte sich einem anderen Besatzungsmitglied zu. »Sag dem Steuermann, er soll auf sie zusteuern. Wir sollten nachsehen, wie es der Drachensporn geht.«
Der Seemann nickte und rannte über das glitschige Deck. Glücklicherweise schien der ärgste Teil des Sturmes mittlerweile vorbei zu sein. Blitze zuckten nur noch am fernen Horizont über den Himmel, und das Donnergrollen war zu einem schwachen Echo seiner selbst verklungen.
Saag wan drehte dem Wind den Rücken zu und blickte zu Ragnar’k, der noch immer unbeweglich auf dem Deck lag. Dicke, geölte Seile fesselten ihn ans Schiff. Ihr Herz schmerzte beim Anblick des majestätischen Tieres, das so unwürdig angebunden darniederlag.
Der Großkielmeister hatte ihren Blick bemerkt. »Du hast vorhin behauptet, dass das Drachenblut zeigen wird, auf welche Weise unsere beiden Völker sich ähneln?«
»Nicht nur ähneln«, murmelte Saag wan. »Wir sind eins. Wir sind ein Stamm.«
Bilatus schnaufte laut. »Unmöglich. Sieh dich doch an. Schwimmhäute zwischen Zehen und Fingern.« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Saag wan blickte die drei Männer an. »Ich hatte gehofft, ich könnte euch auch so überzeugen, eure alten Eide einzulösen. Aber Schamane Pinorr hatte Recht. Er wusste, dass ihr meine Worte ohne Beweis anzweifeln würdet.«
Da ergriff Hant das Wort. »Worauf willst du hinaus? Auf welchen Beweis?«
Saag wan biss sich auf die Unterlippe. »Den zeige ich euch am besten gleich.« Sie ging hinüber zu dem schlummernden schwarzen Tier und zog den Dolch aus der Scheide am Handgelenk.
Dann fuhr sie mit der freien Hand über die Kante eines Flügels und entschuldigte sich leise bei ihrem Reittier und bei dem Menschen darin. Noch bevor die Furcht ihre Hand bremsen konnte, stieß die Mer’ai den Dolch in die Flanke des Drachen. Sie zuckte zusammen, als auch in ihrem Körper der Schmerz aufloderte. Aber sie wusste, dass es sich nur um Phantomschmerzen handelte, hervorgerufen von den Sinnen, die sie mit dem Drachen teilte.
Mittlerweile hatten sich die anderen im Halbkreis hinter ihr aufgestellt, hielten jedoch einen sicheren Abstand. Nur der Großkielmeister wagte es, einen Schritt näher zu treten. »Bist du verletzt?« fragte er besorgt, als er ihr schmerzverzerrtes Gesicht sah.
Saag wan schüttelte den Kopf und zog den Dolch aus dem Körper des Drachen. Drachenblut ergoss sich über ihre Klinge. Sie zuckte zusammen und rieb sich die Seite. Das Brennen ließ rasch nach. Sie drehte sich um und sah die anderen an, während sie ihnen das besudelte Messer hinhielt.
»Dann blutet dein Drache also genauso wie ein Mensch«, meinte Hant. »Aber wie soll das deine Behauptung beweisen?«
»Es ist nicht das Blut«, antwortete Saag wan. »Nicht das Blut an sich.«
Verwirrung machte sich auf den Gesichtern der anderen breit.
Saag wan fühlte, wie eine große Kälte von ihr Besitz ergriff. Sie sträubte sich plötzlich gegen das, was Pinorrs Plan von ihr verlangte. Der Dolch zitterte in ihrer Hand, Blut tropfte von seiner Spitze. Aber sie wusste, dass sie jetzt nicht versagen durfte. Zu viel hing von ihr ab. Sie hob den Blick zu Hant. »Um meine Behauptung zu beweisen, brauche ich auch die Enkeltochter des Schamanen Pinorr.«
Der
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