Alasea 03 - Das Buch der Rache
Waldrand als Wachen aufgestellt hatte, tauchten hinunter, um die verborgene Armee zu warnen.
Der grauhaarige Bruder sprach nun zum Himmel: »Es ist so weit.«
Elena zog die Schaflederhandschuhe von den Händen. Die brauchte sie nun nicht mehr; sie ließ die Handschuhe aufs Deck fallen. Von jetzt an musste sie ihr Erbe nicht mehr verbergen. Sie brauchte die Hexe in ihr nicht länger zu verleugnen. Der Wind trug aus weiter Ferne Trommelgeräusche heran. Das rhythmische Schlagen, obzwar nur so leise wie ein Flüstern, drang ihr in Mark und Knochen. Elena wäre am liebsten davongelaufen.
Flint packte ihren Ellbogen. »Die Herren des Schreckens Skal’ten«, flüsterte er. »Sie schlagen ihre Knochentrommeln, um den Feind zu zermürben.«
»Wie viele sind es, glaubst du?«
Flint lauschte, dann sprach er voller Sorge. »Ich nehme an, mindestens eine Legion.«
Die Luke zum Unterdeck flog auf, und Tol’chuk, der den Zwergenkriegshammer in seiner riesigen Klaue hielt, führte die anderen aufs Deck. Als der Og’er der Luke entstiegen war, folgten Merik und Joach.
Joach hatte seinen Stab unter den Arm geklemmt. Während er zu Elena ging, zog er einen seiner Handschuhe mithilfe der Zähne aus und spuckte ihn aufs Deck.
Doch bevor er den Stab mit der nackten Hand berühren konnte, hielt Elena seinen Arm fest. »Noch nicht. Spare dein Blut auf, bis es gebraucht wird.« Aus dem Feuer in den Augen ihres Bruders konnte sie lesen, dass die Magik ihn bereits gerufen hatte. Die Gier leuchtete hell auf.
Joach hielt den Stab mit der behandschuhten Hand vor seinem Körper. Kleine Dunkelfeuerflammen tanzten über das Holz und entzogen der Nacht die Wärme. »Soll ich versuchen, zuerst mit schwarzer Magik zuzuschlagen?« Er warf einen Blick zu Flint.
»Nein«, antwortete der Bruder. »Deine Vision war richtig, es sind Skal’ten, die da auf uns zukommen. Schwarze Magik würde den dunklen Schutz der Kreaturen nur noch verstärken. Tue nur das, was wir besprochen haben. Mach deinen Stab zu einer Blutwaffe, und nutze seine Magik Fähigkeiten, um deine Schwester zu beschützen. Durchdrungen von Elenas Magik, sollte dein Stab aus kurzer Entfernung Schläge austeilen können, die den Ungeheuern ernsthaften Schaden zufügen.«
»Aber wir können doch nicht darauf hoffen, dass wir so eine ganze Armee von Skal’ten zu besiegen vermögen«, entgegnete Joach.
»Wir müssen Vertrauen haben in unsere Pläne«, erwiderte Flint. Er nickte Elena zu.
Sie hatte bereits ihren silbernen Hexendolch in der Hand. Vorsichtig schnitt sie sich in die roten Handflächen, Blut lief über das Heft des Dolches. Dann wandte sie sich an Merik. »Lenke die Winde nach deinem Gutdünken, aber warte auf Flints Signal.«
Der Elv’e nickte. »Ich werde nicht von deiner Seite weichen. Keines der geflügelten Biester wird dir zu nahe kommen.«
Elena legte Merik zum Dank die Hand auf die Schulter. Er und Joach würden als ihre Leibwächter fungieren: Merik würde ihr die Skal’ten vom Leib halten, und Joach hielt ihr den Rücken mit seinem Blutstab frei. Tol’chuk und Flint würden zusammen mit den Zo’ol die mit Steinen beschwerten Netze entlang der Schiffsreling bemannen. Die Haut der Skal’ten hielt den meisten Attacken zwar stand, doch die Kreaturen waren immer noch Landtiere. Sie konnten wie alle anderen auch ertrinken. Die beste Angriffswaffe der Gefährten war in dieser Nacht also nicht das Schwert, sondern das Meer.
Eine piepsige Stimme ertönte über Elenas Kopf. »Tikal, gutes Kerlchen… will Keks…« Elena warf einen Blick hinauf in die Takelage, wo Mama Fredas kleines Haustier in den Seilen hing und sich hinter der Falte eines losen Segels versteckte. Seine dunklen Augen, die in den Himmel starrten, wirkten riesig. Mama Freda blieb zusammen mit Tok unter Deck. Mithilfe des Jungen hatte sie in der Kombüse eine Krankenstation eingerichtet; ihre Elixiere und Balsame brodelten schon auf dem Herd, damit sie die Verletzten möglichst schnell versorgen konnte. Während sie sich auf die bevorstehende Schlacht vorbereitete, diente ihr Tikal als Auge und Ohr über Deck.
»Da!« schrie Tol’chuk vorn am Bug. Er deutete mit seinem Zwergenhammer nach Norden. »Die Sterne verschwinden!«
Alle Augen fuhren herum, um die schwarze Wolke zu verfolgen, die über den Nachthimmel fegte. »Süße Mutter«, stöhnte Elena. Am gesamten Horizont wimmelte es nur so von den Monstren. Wie hatten sie jemals auch nur zu hoffen gewagt, diese Nacht zu überleben?
Flint
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