Alasea 03 - Das Buch der Rache
zerstreuen. Zuerst fransten die Ränder aus, und dann löste sie sich in verschiedene Lagen aus Dunst und Nebel auf.
Noch immer auf den Knien, sank Rockenheim nun auf alle viere. Die Hoffnungslosigkeit zog ihn zu Boden. »Aber… aber es gibt keine Möglichkeit, einmal geschmiedeten Schwarzstein zu brechen. Nur der Herr der Dunklen Mächte selbst vermag dies zu tun.« Rockenheim hob das Gesicht und bettelte um weitere Antworten.
Aber die Steinsäule sog den Nebel zurück in ihre kalte Umarmung. Haltlos fiel der Stab in den feuchten Tang.
»Bitte!« schrie Rockenheim in den Wald.
Ein leises Flüstern antwortete ihm, eine Stimme aus unvorstellbar weiter Ferne. Bruder Lassens letzte Worte hallten zu ihm. »Es gibt einen Weg, mein Freund. Nur die Zeit ist unveränderlich. Erkenne dich selbst, und es wird sich ein Weg eröffnen.«
Damit hüllte sich der Hügel in Schweigen. Nur die Granitsäule blieb zurück, als wollte sie sich über Rockenheim lustig machen.
Er war der Antwort auf die Frage seines Lebens so nahe gewesen, und nun hatte man ihm nur noch mehr Rätsel vor die Füße geworfen. Rockenheim erhob sich aus den wirr ineinander verschlungenen Pflanzen. Im Mondlicht hatte der Tang die Farbe getrockneten Blutes.
Stehend stierte er auf die Säule. »Erkenne dich selbst, und es wird sich ein Weg eröffnen«, wiederholte er den letzten Satz des Schattens. »Nutzlose Worte für jemanden, dessen Vergangenheit gestohlen wurde.«
Rockenheim wandte dem Stein den Rücken zu und starrte in den Himmel. Greschym hatte versprochen, ihm seine verlorenen Erinnerungen zurückzugeben, wenn er in dieser Nacht seine Aufgabe erfolgreich erledigte. »›Vernichte die Hexe, und du wirst bekommen, was du dir wünschst.‹«
Rockenheim seufzte. Wenn der Schatten nicht gelogen hatte, konnte die Wiedererlangung des Wissens über seine Vergangenheit vielleicht der Schlüssel sein, um seinen Geist zu befreien. Er dachte über diese Erkenntnis nach. Wenn es stimmte, dann war dies vielleicht auch der Grund, warum seine Vergangenheit vor ihm geheim gehalten wurde. Um ihn für immer im Stein gefangen zu halten. Aber welches Rätsel aus seinem früheren Leben vermochte den Schwarzstein zu brechen?
In einem versteckten Winkel seines Gedächtnisses existierten noch immer der Geruch von Rosen und ein sanftes Flüstern. Es war eine einsame Rose, die auf einem unfruchtbaren Feld blühte. Er kannte den Namen dieser süßen Blume: Linora. Doch mehr wusste er nicht. Nur diese dunkle Erinnerung trug er nahe an seinem Herzen und beschützte sie vor allem Leid. Wer war sie?, schrie es in seinem Kopf.
Rockenheim schüttelte den Kopf über diesen vergeblichen inneren Kampf. Es gab nur einen Weg, um dieses Rätsel zu lösen. »Vernichte die Hexe«, murmelte er hinauf zu den Sternen.
Als hätten sie ihn gehört, erloschen die Himmelslichter eines nach dem anderen, wie von einem aufkommenden Unwetter verschluckt. Aber es handelte sich nicht um Gewitterwolken, die da auf ihn zurollten. Rockenheim beobachtete, wie eine geflügelte Gestalt den Mondschein über ihm verdunkelte. Er bekam eine Gänsehaut bei dem Anblick.
Die Legion von Skal’ten war angekommen.
Links neben ihm krachte es in den Bäumen. Als er herumfuhr, sah Rockenheim Äste und Zweige herunterbrechen, da sich etwas Großes und Schweres seinen Weg durch den Blätterbaldachin bahnte. Rockenheim wich einige Schritte zurück.
Die blasse Schnauze eines Skal’tums platzte durch das zerfetzte Blattwerk. Das Ungeheuer zischte ihn an und ließ seine Zähne böse und unheilvoll aufblitzen. Eine lange Zunge schlängelte sich aus dem Maul und leckte über die Lippen, und die großen Ohren wackelten hin und her. Das Untier konnte sich aus dem Astgewirr befreien und stürzte schließlich auf den Hügel, wobei es Lassens Grabstein umwarf und dessen Stab unter seinen Krallen entzweibrach. Das Scheusal kam auf Rockenheim zu, der dessen zwei schwarze Herzen durch die durchsichtige Haut schlagen sah. Das Skal’tum schüttelte die blassen Flügel und breitete sie drohend aus.
Rockenheim blieb stehen.
»Esss issst an der Zeit, dassss wir unsssere Masssken wegwerfen«, keuchte das Skal’tum. Die erhitzte Haut des Ungeheuers dampfte in der feuchten Luft.
Rockenheim zuckte die Schultern. Er wusste, dass sie ihre Masken nun nicht mehr brauchten. Der Wald hatte durch den Geist Lassens bereits seine Neutralität verkünden lassen. Von jetzt an würde jede Seite allein kämpfen.
Rockenheim trat vor und
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