Alasea 03 - Das Buch der Rache
der Insel hatten sie schon lange aufgegeben. Nun kämpften die Mer’ai und De’rendi nur noch ums nackte Überleben. Jedes Schiff war eine einsame Insel, die unter schwerstem Beschuss stand. Obwohl die Mer’ai alles unternahmen, um zu helfen, waren die Skal’ten in dem unheilschwangeren Dämmerlicht fast nicht zu bezwingen.
Saag wan und Ragnar’k leisteten Hilfe, wo sie nur konnten. Sie flogen im Sturzflug hinunter zu den Schiffen, die sie gerade am dringendsten brauchten, und zerstörten die dunkle Schutzhülle der Skal’ten. Doch ihre Hauptaufgabe bestand weiterhin darin, die Türme A’loatals zu beobachten und auf ein Zeichen der Hexe zu warten. In der Zwischenzeit standen sie der Flotte bei.
»Da drüben!« schrie Saag wan heiser. Sie schickte dem Drachen ein Bild des Schiffes, das sie meinte.
Ragnar’k gab ihr zu verstehen, dass er verstanden hatte, wendete in einem weiten Halbkreis und begann den langen Sinkflug hinunter zu dem Schiff, dessen Segel nur noch Fetzen waren und in dessen Takelage es nur so wimmelte von Skal’ten. Saag wan stemmte sich gegen den Wind. Die Wärme des Drachen hielt sie zwar warm, aber dennoch zitterte sie. Als Ragnar’k im Sturzflug über die Masten brüllte, schloss Saag wan die Augen. Sie konnte das Gemetzel auf den Schiffsdecks nicht mehr mit ansehen; es brach ihr das Herz.
Als Ragnar’k die Attacke beendet hatte, fühlte Saag wan einen leichten Schmerz im Rachen. Der Drache wurde allmählich heiser. Bald würden auch diese Angriffe nichts mehr nützen.
Plötzlich drang ein Flüstern zu Saag wan herauf. Solange wir atmen, gibt es noch Hoffnung. Saag wan öffnete die Augen und richtete sich auf. Es war Kast. Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, seit sie die Verwandlung an Bord der Drachenherz vollzogen hatte.
»Oh, Kast, die vielen Toten… die Schreie… das Blut…« Saag wan schluchzte.
Ganz ruhig. Ragnar’k tat gut daran, mich zu holen. Du darfst jetzt nicht verzweifeln.
»Aber Kast, unsere Völker werden blutig niedergemetzelt.«
Ich sehe den Tod, meine Liebe. Saag wan fühlte, wie sie plötzlich von einer Wärme umfangen wurde, die nichts mit dem erhitzten Körper des Drachen zu tun hatte. Es war, als hätte Kast die Arme um sie gelegt. Er wollte sie trösten, auch wenn er dazu Worte gebrauchte, die nicht sehr viel Mut zusprachen. Was hier geschieht, ist der Preis, der nun einmal bezahlt werden muss. Unsere Völker haben die Zahlung viel zu lange hinausgeschoben. Die Mer’ai flohen in die Tiefe. Mein Volk wandte sich nach Süden und blickte nicht zurück. Wenn wir unseren wahren Geist wieder finden wollen, brauchen wir dazu diese läuternden Flammen. Wir sind nach Jahrhunderten des Versteckens aufgetaucht. Wir haben Alaseas Zukunft die Treue geschworen, und nun müssen wir einen Schlussstrich ziehen auch wenn dieser aus Blut besteht.
Saag wan begann erneut zu schluchzen. »Ich möchte nur, dass es aufhört. Ganz gleich wie, aber es soll aufhören.«
Komm zu mir.
»Was?« flüsterte sie.
Schließ die Augen, und greif nach mir.
»Ich verstehe nicht…«
Tu es einfach. Vertrau uns beiden.
Saag wan schluckte und tat, was man von ihr verlangte. Sie schloss die Augen und schickte dem Blutreiter ihre Gedanken, sandte ihm ihre Liebe und ihren Kummer. Die Wärme, die sie zuvor schon gespürt hatte, breitete sich noch weiter aus. Plötzlich verwandelte sich diese Wärme in zwei Arme, die sie umschlungen hielten. Sie fühlte Kasts Körper. Die Grenzen zwischen den dreien Drache, Mann und Frau verwischten sich. Für einen endlos scheinenden Augenblick entstand aus drei Wesen eines. Sie brauchten keine Worte. Schweigend trösteten sie sich gegenseitig in einer Umarmung aus Wärme und Liebe.
Kasts Stimme flüsterte Saag wan schließlich noch etwas zu. Saag wan glaubte, seinen Mund direkt neben ihrem Ohr zu fühlen, sein Atem strich über ihren Hals. Dafür kämpfen wir.
Als Antwort darauf umschlang Saag wan den Blutreiter und Drachen noch fester. Sie wollte für immer so verharren, aber ein Gedanke Ragnar’ks unterbrach sie. Da kommt etwas.
Saag wan öffnete die Augen, und es war vorbei. Sie fühlte, wie die wärmenden Arme sich von ihr lösten, und wusste, dass sich Kast wieder tief in Ragnar’k zurückzog. Der Drache brauchte nun all seine Kraft, um sich dieser neuen Gefahr zu stellen.
Ragnar’k legte sich in die Kurve, wobei er die gesamte Spannweite seiner schwarzen Flügel ausnutzte. Saag wan drehte der Insel nun den Rücken zu. Tintenschwarze
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