Alasea 03 - Das Buch der Rache
nichts außer Rauch und kaltem Stein. Ihre Freunde konnten überall dort unten sein. Vielleicht waren sie auch schon tot. Doch diesen letzten Gedanken verwarf Saag wan sofort wieder. Sie würde die Hoffnung nicht so schnell aufgeben.
Sie warf einen Blick hinauf zum Flaggschiff und zu der eiskalten Frau, die an dessen Bug stand. »Ragnar’k, wir müssen sie aufhalten!« rief die Mer’ai.
Joach kam langsam wieder auf die Füße, als sich der Staub senkte. Er schüttelte den Kopf, um das Dröhnen in seinem Schädel loszuwerden. Gute Götter, was war geschehen? Niemals hätte er erwartet, lebend wieder aufzustehen. Für ihn hatte es keinen Zweifel daran gegeben, dass die Insel bei der überraschenden Explosion auseinander gerissen worden war.
Neben ihm kam auch Merik stöhnend wieder auf die Füße. Auf seiner Stirn prangte eine lange, blutige Schramme. Er befühlte die Verletzung, befand sie offenbar für nebensächlich und half Mama Freda auf.
Da die alte Heilerin keine Augen hatte, konnte man ihren Gesichtsausdruck nur schwer deuten. Aber Joach ahnte, wie sie sich fühlen musste. Ihre Hand tastete nach Meriks Arm, als wäre sie kurz vor dem Ertrinken. Joach sah, dass sich ihre Lippen bewegten, aber er hörte nichts außer dem Dröhnen in seinem Kopf. Er schüttelte noch einmal den Kopf, und mit einem schmerzhaft hohen Ton kehrte sein Hörvermögen schlagartig zurück.
»… geschehen?« beendete Mama Freda einen Satz.
Merik blickte im Gang auf und ab. »Ich weiß nicht. Aber ich vermute, es handelt sich um eine Art schwarzer Magik.«
»Vielleicht war es ein Erdbeben«, rätselte Mama Freda und klammerte sich an Meriks Arm. »Die vulkanischen Inseln hier in der Gegend beben von Zeit zu Zeit.«
Merik zuckte nur die Schultern. Joach indes war froh, dass die alte Frau wieder mit ihnen sprach. Zumindest hatte die Explosion sie aus der Teilnahmslosigkeit gerissen, in die sie seit dem Verlust ihres Tamrinks und damit ihres Sehvermögens verfallen war.
Joach ging zu den beiden anderen, während Merik die Fackel aufhob, die er bei der Erschütterung fallen gelassen hatte. Zum Glück war sie nicht erloschen. »Ich würde nicht darauf wetten, dass es ein Vulkan ist«, meinte Joach. »Irgendetwas Böses ist hier am Werk.« Er warf einen Blick in den Gang, konnte aber kein Anzeichen des Bösewächters erkennen, der sie verfolgt hatte. Wie weit war er zurückgefallen? Joachs Gedanken wanderten zu seiner Schwester. Rührte die Explosion etwa von irgendwelchen Handlungen her, die sie unternommen hatte, um das Buch zu befreien? Und wenn, hatte Elena überlebt? Mit all diesen Sorgen, die an ihm nagten, nickte Joach den anderen zu. »Wir müssen weiter!«
Vor ihnen zweigte der Seitengang ab, der aus den Hauptfluren der Katakomben hinaus und zu der Treppe führte, an der Tol’chuk wartete. Merik legte den Arm um Mama Fredas Schulter und geleitete sie in den Gang. Hier waren die Wände an beiden Seiten wieder roh und unbearbeitet. Sie gingen schnell und geräuschvoll. Sie wollten den großen Abstand zum Bösewächter wahren, sich jedoch nicht zu weit von ihm entfernen, um ihn nicht zu verlieren. Es dauerte nicht lange, da tauchte die Treppe links vor ihnen auf.
Sie legten eine kurze Pause ein, damit Mama Freda wieder zu Atem kommen konnte. Währenddessen betrachtete Merik nachdenklich die steile Treppe. »Wenn wir oben bei Tol’chuk sind, müssen wir entweder Widerstand leisten oder den Bösewächter in die Straßen der Stadt locken.«
Joach schüttelte den Kopf. »Wir werden gegen ihn kämpfen. Ich gehe hier nicht weg, solange Elena noch hier unten ist.«
Nun ergriff Mama Freda das Wort. »Es ist zu spät. Er ist bereits da.«
Merik und Joach fuhren herum und starrten in den Gang. Joach hob seinen Stab, und Merik zog einen langen Dolch aus der Scheide an seinem Handgelenk. Aber alles war dunkel.
»Ich sehe nichts, weder eine Fackel noch eine Laterne«, flüsterte Merik.
»Er versteckt sich im Dunkeln«, antwortete Mama Freda.
Joach erschauderte. Jenseits des schwachen Scheins der Fackel ragte nur eine Mauer der Schwärze auf. Joach hatte davon gehört, dass die Sinne von Blinden oft sehr stark ausgeprägt waren. »Bist du sicher?«
Die alte Heilerin nickte nur und zeigte keine Angst angesichts dieser Entdeckung. Stattdessen wurden ihre Lippen schmal vor Wut. »Er hört uns sogar zu.«
Joach wandte sich an Merik. »Bring Mama Freda hier weg. Ich werde versuchen, den Bösewächter aufzuhalten, während du Tol’chuk
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