Alasea 03 - Das Buch der Rache
nackten Haut nicht wohl fühlten.
Als sie fertig war, wollte Joach ihr das Buch zurückgeben, aber sie schüttelte den Kopf. »Kannst du es noch einen Augenblick lang halten?«
»Bist du sicher?« fragte Joach zweifelnd und hielt das Buch so weit vom Körper weg, als wäre es eine giftige Schlange.
»Ich vertraue dir, Joach«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln.
Er erwiderte ihr Lächeln, dann betrachtete er den Bucheinband. Die Rose leuchtete noch immer golden in der Nacht. »Wann, glaubst du, sollten wir es öffnen?«
»Später. An einem anderen Tag.« Elena hatte so viel Magik und Überraschungen erlebt, dass es für zwei Leben reichen würde. »Wir sollten warten, bis alle versammelt sind. Unsere Gefährten haben es verdient, dabei zu sein.«
Joach nickte und klemmte sich das Buch vorsichtig unter den Arm. Er ging zur Brüstung, um auf dem Meer das Ende des Krieges zu beobachten. Auch Elena sah einen Augenblick lang hinaus aufs Meer. Jetzt, da die Dunkelmagiker gegangen waren, flohen auch die anderen Verteidiger der Insel aus ihren Stellungen. Bei den noch anhaltenden Kämpfen handelte es sich eher um ein Reinemachen als um echte Gefechte. Bei Sonnenaufgang würde der Inselkrieg beendet sein.
Elena wandte dem Meer den Rücken zu und sah Er’ril an, der den mondhellen Himmel und die Stadt beobachtete und nach neuen Gefahren Ausschau hielt. Stets der Behüter. Im Mondlicht wirkte er, noch immer ohne Hemd, wie eine Bronzestatue.
Sie ging zu ihm und stellte sich schweigend neben ihn. »Er’ril«, sagte sie sanft.
»Hmmm…« Er drehte sich nicht um, sondern hielt weiter Ausschau.
Elena berührte seine nackte rechte Schulter. Sie tat nun, was sie schon in den Katakomben gern getan hätte, als sie ihm gefolgt war. Sie fuhr die dunkle Linie nach, an welcher der zurückerlangte Arm wieder an die Schulter gewachsen war, die Stelle, an der der neue Er’ril sich mit dem alten vereinte. Elena wusste, dass von nun an zwischen ihnen nichts mehr so sein würde wie früher. Er’ril hatte seine Aufgabe erfüllt, und Elena spürte, dass die Macht des Buches in Zukunft zwischen ihnen stehen würde. Ihr Herz schmerzte bei diesem Gedanken. Gab es keinen Weg, um den neuen Er’ril behalten zu können und gleichzeitig den alten nicht verlieren zu müssen?
Der Präriemann erschauderte unter ihrer Berührung.
Elena nahm seine Hand und drehte ihn sanft weg von der Brüstung.
»Elena?«
»Schhhh.« Er sollte nicht sprechen. Sie nahm auch noch die andere Hand und betrachtete die Handflächen eine Weile, so wie eine Weissagerin auf einem Dorfjahrmarkt es auf der Suche nach einer Erleuchtung getan hätte. Hier waren der neue und der alte Er’ril. Aber sie sahen beide gleich aus. Wer war er wirklich?
Er’ril drehte seine Hände so herum, dass er nun ihre Hände hielt, sanft und zärtlich. »Ich… ich dachte schon, ich hätte dich verloren.«
»Und ich fürchtete, ich hätte dich verloren.« Sie lehnte sich mit Tränen in den Augen an ihn.
Beschützend legte Er’ril seine Hände auf ihre nackten Arme und hüllte sie ein mit seiner warmen Umarmung. Zwei Arme umschlangen sie und behüteten sie nach den schrecklichen Ereignissen dieses Tages. Elena lehnte sich an seine breite Brust. Als ihre Wange seine Haut berührte, erstarrte Er’ril einige Sekunden lang und erinnerte sie erneut an eine Statue aus Bronze, doch dann fühlte Elena, wie er sich in ihrer Gegenwart entspannte und wieder zum Menschen wurde. Sie hielten sich schweigend fest und wussten beide, dass ihre Umarmung mehr bedeutete als nur Trost, doch keiner sprach darüber. Sie wollten den Augenblick nicht zerstören.
Elena sank in Er’rils Wärme, ließ sich von seinen Armen umfangen, und sie wusste, dass das die Antwort war. Zwei Arme umschlangen sie vollständig. Sie konnte nicht sagen, wo der eine anfing und der andere aufhörte. In seiner Umarmung gab es keinen neuen oder alten Er’ril. Es gab nur einen Er’ril. Und sie würde ihn nicht mehr verlieren auch nicht aufgrund der Unsterblichkeit, die das Buch versprach.
Er’ril hielt sie fest.
Alle Gedanken an Krieg und Hexenkunst schienen weit weg, während sie auf das Klopfen seines Herzens hörte. Die Zeit blieb in diesem Moment stehen; die Sterne hielten in ihrem ewigen Tanz inne; der Mond erstarrte am Nachthimmel. In diesem Augenblick gab es nur sie beide. Und zum ersten Mal seit sie die Obsthaine ihrer Familie verlassen hatte, fühlte sich Elena zu Hause.
Plötzlich zerstörte ein Brüllen hinter
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