Alasea 03 - Das Buch der Rache
Tür, die in ihre eigene Kabine führte. Dort holte sie ihre persönlichen Sachen hervor und griff nach dem Hexendolch. Die Silberklinge blitzte und blinkte in den wenigen Sonnenstrahlen, die durch das Bullauge der Kabine drangen. Welche Magik auch immer sie nun in sich tragen mochte, sie würde sie an den Kobolden ausprobieren.
Elena fuhr herum und erhaschte einen kurzen Blick auf sich in dem kleinen Spiegel, der an der Wand hing. Sie blieb stehen und rang nach Luft. Es war, als würden ihre Kleider und der Dolch allein durch den Raum schweben. Sie hob den Dolch höher. Er schwebte vor dem Spiegel. Keine Hand, die ihn in der Luft hielt, war zu sehen. Sie trat näher an den Spiegel und fuhr mit der Dolchspitze über ihre Wange. Im Spiegel schwebte der Dolch nur durch die Luft.
Sie richtete sich auf, berührte ihr Gesicht und starrte auf ihre Hände. Sie selbst sah Fleisch und Blut, aber der Spiegel reflektierte nichts. War sie am Ende doch ein Geist geworden? »Hexe von Geist und Stein«, wiederholte sie flüsternd. War dies die unbekannte Seite ihrer neuen Magik? Verlieh sie ihr die Fähigkeit, sich unsichtbar zu bewegen?
Elena erinnerte sich an den fehlgeschlagenen Erneuerungsversuch kurz zuvor. Sie brauchte das Sonnenlicht auf der Haut, um die Macht neu zu entflammen. War die Erneuerung misslungen, weil ihr Fleisch für die Sonne unsichtbar war?
Der Nutzen einer solchen Gabe lag klar auf der Hand. Sie entledigte sich ihrer Kleider und nahm den Dolch, um sich von den Verbänden um ihren Leib zu befreien. Nun stand sie nackt da, aber ihre hüllenlose Haut war nicht im Spiegel zu sehen. Nur der Dolch schwebte im Spiegel, umklammert von den geisterhaften Fingern ihrer rechten Hand.
Sie verstärkte den Griff um das Heft der Klinge und berührte die neue Magik in ihrem Herzen. Langsam ließ sie sie durch ihr Sein rollen, prüfte sie, schmeckte sie wie edlen Wein auf der Zunge. Elena ließ die Magik in die zur Faust geballten Finger fließen. Nicht zu schnell. Sie würde nicht zulassen, dass die Magik über sie herrschte. Als die Energie weiter anschwoll, loderten plötzlich rosige Flammen aus ihrer Faust und verschluckten den Dolch mit ihrem kalten Licht. Unter Elenas Augen verschwand das Bild der Klinge allmählich aus dem Spiegel, es wurde aufgezehrt von ihrer Magik.
Im Spiegel schien die Kabine nun leer zu sein. Elenas Kleider lagen zu ihren Füßen auf dem Fußboden wie die verlassenen Eierschalen eines frisch geschlüpften Kükens. Sie stieg aus dem Kleiderhaufen.
Ein kaltes Hexenlächeln formte sich auf ihren Lippen, und sie kämpfte nicht dagegen an. Diesem Teil ihres Geistes konnte sie sich nicht entziehen. Wie jeder andere hatte auch Elena eine dunkle Seite, die nach Macht gierte, und diese dunkle Seite strebte danach, der wilden Magik freien Lauf zu lassen. Sie selbst nannte diese dunkle Seite Hexe, und diese war genauso ein Teil von ihr wie die Frau, die diese Lust zu mäßigen und zu kontrollieren versuchte. Elena hatte inzwischen gelernt, dass es der dunklen Seite in ihr nur noch mehr Macht verlieh, wenn sie die zwei verschiedenen Hälften ihres Herzens Hexe und Frau verleugnete. Also ließ sie die Energien in ihrem Blut singen, hielt jedoch die Zügel fest in der Hand.
Als sie nach der Kabinentür griff, schrie der Chor der wilden Magik in ihr nach Befreiung, er kreischte, sie solle ihre Geisterklinge nehmen, um die Haut zu durchstechen, damit die Magik in die Welt springen konnte.
»Noch nicht«, antwortete sie. Es war einfach, dem Ruf des Chores zu widerstehen denn eine andere, leisere Stimme hatte Elenas Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.
Sie hörte das Flüstern der Hexe, das sie in ihren Bann schlug.
Elena lauschte und vernahm nur ein Wort: Geistfeuer.
7
Er’ril kauerte sich zusammen, seine Kleider und Haut waren zerschrammt von zahllosen Krallen, und er sah die Mauer aus Kobolden vor sich. Seine Silberklinge war rot vor Blut, als er die Spitze zum hundertsten Mal erhob und auf den nächsten Angriff wartete. Er und die anderen verteidigten die zerstörte Tür, die zu den Kabinen unter Deck führte. Niemand durfte zu dem Mädchen hinunter.
»Wie viele von diesen verdammten Biestern gibt es denn noch?« schimpfte Flint und keuchte schwer durch die zusammengebissenen Zähne. »Für jeden, den wir erschlagen, kommen zwei neue über die Reling, um ihre Reihen aufzufüllen.«
»Seid weiter auf der Hut«, mahnte Er’ril, aber auch er wurde langsam müde. Er bedauerte es nun, dass er nicht noch
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