Alasea 03 - Das Buch der Rache
Frau, die da vor ihm stand, war nicht Elena, zumindest nicht ganz. Die Umrisse ihres Körpers, die ihm zwar bekannt vorkamen, schienen nun aus blassem Mondstein geschnitzt zu sein, als wäre die Gestalt nur ein Abbild des Mädchens, das er einst gekannt hatte.
Aber wer oder was hatte von ihr Besitz ergriffen?
Als sich ihre Blicke trafen, erstarb das wilde Lachen, und Er’ril sah die Antwort. Er atmete schwer und stolperte zurück. Es war, als starrte er in einen Mahlstrom aus wilden Energien von solcher Heftigkeit, dass sie seinen Geist aus dem Körper zu brennen drohten. Aber das war noch nicht das Schlimmste, nicht das, was ihm den Atem verschlug. Er erkannte nun, was hinter dem Magik Strudel stand. Es war keine dämonische Intelligenz, die diese gewaltigen Kräfte führte. Es war Elena.
»Kind, was hast du getan?« stöhnte er.
»Halte du dich da heraus, Er’ril!« befahl sie ihm, und aus ihren Worten hallten abgrundtiefer menschlicher Hass und eine Macht, die so ungeheuerlich groß war wie der Fluss der Gezeiten. »Dies ist mein Kampf.« Sie fuhr herum, um den Schwärmern ins scheußliche Antlitz zu blicken.
»Nein! Lass sie! Das ist nicht der richtige Weg!«
Sie ignorierte ihn. Ihre Flammen schlugen höher, als sie sich den Dämonen stellte.
»Was geht hier vor?« fragte Flint neben ihm.
Er’rils Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Die Hexe in Elena hat die Ketten gesprengt. Sie tobt nun frei in ihrem Blut.«
Joach stürzte zu ihnen, den Stab in der Hand. »Was hat das zu bedeuten?«
»Das bedeutet, dass Elena einen Teil ihres Geistes der Hexe überlassen hat. Ein Teil von ihr ist nun so stark und wild wie ein Zyklon und besitzt genauso wenig Herz.«
Als wollte sie seine Worte veranschaulichen, ließ Elena ihr silbernes Feuer noch einmal auflodern und trieb damit die Schwärmer zurück. Nur der größte dieses üblen Volkes blieb regungslos stehen und grub die Krallen tief in das von vielen Unwettern gehärtete Holz. Als Elena sich ihm näherte, reflektierten die gelben Augen die Hexenflammen nicht, sondern schienen sie im Gegenteil aufzufressen. Schließlich hob der monströse Schwärmer den ledernen Kopf und stieß der Hexe ein höllisches Gebrüll entgegen.
Elena beantwortete diese Herausforderung mit wildem Gelächter.
Dahinter stand Rockenheim mit den Schwärmer Dämonen, die um seine überschatteten Beine herumtollten. Ein Siegerlächeln umspielte seine Lippen. Er’ril wusste, warum dieser Unmensch lächelte. Auch wenn Elena die Kreaturen des Herrn der Dunklen Mächte am Ende besiegte, einen kleinen Sieg hatte der Schreckensherrscher bereits jetzt errungen. Ein Teil des Geistes der jungen Frau war an diesem Tag gestorben: er wurde nicht durch das Gift der Drak’il getötet, sondern freiwillig an eine Macht übergeben, die nicht von dieser Welt stammte.
Elena war kein richtiger Mensch mehr.
Er’ril fühlte, wie sich eine Eiseskälte um sein Herz legte. Sollte es der Hexe gelingen, die Kontrolle über das Mädchen vollständig an sich zu reißen, würde alles verloren sein. Elena würde eine so dunkle und herzlose Kreatur werden wie der schwarze Schacher selbst. Er’ril erhob das Schwert.
Moris trat neben den Präriemann. »Sie balanciert auf einem schmalen Grat«, warnte der dunkelhäutige Bruder. »Wenn sie ihre Magik nicht bald zügelt…«
Er’ril nickte nur, seine Augen waren auf Rockenheims hämisches Grinsen gerichtet. Plötzlich verstand er die Taktik, die dieser Unmensch verfolgte. Er wusste nun, warum sie Rockenheim noch einmal aus dem modernden Grab geholt und zurück in die Welt der Lebenden geschickt hatten. Genauso wie der Herr der Dunklen Mächte die Drak’il benutzt hatte, um ihn und seine Gefährten zu zermürben, benutzte er jetzt das Gesicht des Mörders ihrer Eltern, um Elena dort zu treffen, wo sie am empfindlichsten war: in ihrem Geist und ihrem Herzen.
Der Herr der Dunklen Mächte beabsichtigte, Elena in eine blinde Wut zu treiben. Er wollte sie zwingen, so ungeheure Kräfte berühren, dass ihre eigene Leidenschaft sie auffräße, und dann würde nur die ausgebrannte Hülle eines Mädchens übrig bleiben eine Gestalt, die von Magik durchflutet, aber nicht mehr von menschlichen Gefühlen geleitet wurde.
Er’ril wusste, was er zu tun hatte. Er winkte die anderen zu sich und ging um die flammende Gestalt Elenas herum. »Wir müssen sie davon abhalten, den Golem anzugreifen«, drängte er.
»Warum?« fragte Joach. »Sie ist die Einzige, die die Macht
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