Alasea 03 - Das Buch der Rache
sah seinen vierbeinigen Bruder an. »Was hältst du von Jaston?«
Ferndals Augen glühten Mogwied an. Ein Bild formte sich in seinem Geist, das Bild eines vergangenen Ereignisses. Mogwied sah Ferndal, der von dem weißen Tentakel eines geflügelten Ungeheuers fortgetragen wurde, sein Fell brannte unter dem Griff des Wesens. Jaston stürzte sich aus einem kleinen Boot, ein Messer zwischen die Zähne geklemmt, um den Wolf zu retten.
Mogwied nickte verständig, als die Bilder vergangen waren. Jaston hatte Ferndal also das Leben gerettet. Bei den Si’lura bedeutete dies, dass nun eine Blutschuld zwischen Wolf und Mensch bestand. Und als Verwandter Ferndals war auch Mogwied Schuldner, ob es ihm nun gefiel oder nicht.
Ferndal schmiegte kurz den Kopf an die Hand seines Bruders, dann ging er hinüber zum Lagerfeuer. Mogwied zierte sich, er fühlte sich unwohl unter all diesen Menschen besonders unter den Fremden.
Von hinten trat plötzlich Kral an Mogwied heran und erschreckte den einstigen Gestaltwandler. Da Mogwied zu dem hünenhaften Gefährten aufblickte, sah er den übel launigen Ausdruck auf Krals Gesicht, mit dem dieser das Treiben am Lagerfeuer beobachtete. Es schien, als teilte er das Empfinden des Gestaltwandlers gegenüber den Fremden. Mogwied fiel auf, dass die Faust des Gebirglers nach wie vor auf dem Griff der Axt ruhte. Aber zumindest war die Waffe noch von Leder bedeckt.
Mogwied wollte sich gerade abwenden, als der Feuerschein den blauroten Farbton des Leders enthüllte. Angewidert verzog Mogwied die Lippen. Als Si’lura wusste er um die Herkunft des Leders. Es war die Haut eines Schnüfflers, eines jener geifernden Hunde, die in den tiefen Wäldern der Westlichen Marken ihr Unwesen trieben. Mogwied erinnerte sich noch genau an den Schnüffler, der ihn und seinen Bruder angegriffen hatte, als sie durchs Land der Og’er gezogen waren.
Noch bevor Mogwied eine Bemerkung über Krals Lederwahl machen konnte, zog der Mann aus den Bergen die Brauen zusammen und sprach. Seine Stimme klang so tief und bösartig wie das Knurren eines Schnüfflers auf der Jagd. »Ich traue diesen Sumpfbewohnern nicht, und dem Narbengesicht Jaston schon gar nicht.«
Kral beäugte Mogwied, der unter dem eindringlichen Blick nur nicken konnte. Mogwied musste sich zusammennehmen, um nicht am ganzen Körper zu schlottern. Vielleicht war es ja nur die plötzliche Erinnerung an den Schnüffler in den Bergen, aber Mogwied glaubte für einen Augenblick eine hungrige Drohung in Krals Blick zu erkennen, als würde er einem Raubtier aus dem schwarzen Wald gegenüberstehen. Er fühlte sich erleichtert, als Kral schließlich den Blick abwandte und über die Lichtung zurück zum Lagerfeuer stapfte.
Nach einigen zitternden Atemzügen folgte Mogwied ihm auf schwachen Beinen. Diese Seite Krals hatte er noch nie wahrgenommen. Er gesellte sich zum Kreis der anderen und sorgte dafür dass das Lagerfeuer ihn vom Gebirgler trennte. Im Feuerschein glühten Krals Augen purpurrot, sein Gesicht glich einer unergründlichen Maske.
Mogwied studierte den Gefährten noch einen Moment länger und zog dabei eine Augenbraue hoch. Er beobachtete Krals rechte Hand, die an der Lederhülle seiner Axt rieb. Dem Mann aus den Bergen war bestimmt nicht bewusst, wie inbrünstig seine Finger das Leder liebkosten. Die langsamen und beinahe gierigen Bewegungen glichen denen eines Mannes, der die Brüste einer Frau streichelte…
Mogwied wandte den Blick ab und schluckte schwer. Seine Eingeweide krampften sich zusammen. Wie hatte der Gebirgler eigentlich ihre Flucht aus der Garnison von Port Raul zuwege gebracht? Das hatte er ihnen nie erzählt.
Mama Freda unterbrach seine Gedankengänge, sie kam zu ihm gehumpelt und hielt ihm einen Teller mit Rehfleisch und wilden Zwiebeln hin. Tikal, ihr zahmer Tamrink, saß auf ihrer Schulter und starrte ihn mit seinen großen Augen an. Das zierliche Geschöpf hielt eine halbe Zwiebel in der Hand und knabberte eifrig daran. Mama Freda bot Mogwied auch eine Gabel an. »Bedien dich, kleiner Mann«, sagte sie.
Er winkte ab, sein Magen krampfte sich beim Anblick des Essens zusammen.
»Du solltest etwas essen.« Sie gab nicht nach. »Wir haben einen weiten Weg vor uns.«
»Danke«, wehrte er sanft ab. »Vielleicht später.«
Sie zuckte die Schultern und ging weiter, als Tol’chuk sich neben Mogwied niederließ. »Du bist bestimmt froh, deinen Bruder gesund wiederzusehen«, sagte der Og’er und winkte mit einem Stück Fleisch zu den
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