Alasea 03 - Das Buch der Rache
letzten Mond hat sie ziemlich mitgenommen, aber sie erholt sich.« Der Mann neigte plötzlich den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn, dann hielt er Mikela auf Armeslänge entfernt und betrachtete sie eingehend. »Deine Augen… sie haben sich verändert! Was ist geschehen?«
Mikela schien zusammenzuzucken und schlug die Augen nieder.
Mogwied erkannte, dass der Fremde nichts von Mikelas Si’lura Erbe wusste. Schließlich ergriff Mikela das Wort. Sie log zwar nicht, verriet jedoch nur die halbe Wahrheit. »Ich bin gestorben«, erklärte sie, dann zeigte sie ihm die Schlange am Handgelenk. »Eine Heilerin und die Magik einer Schlange haben mir das Leben zurückgeschenkt. Danach waren meine Augen so, wie sie jetzt sind.«
Der Mann zog sie wieder näher an sich. »So schlitzförmig, wie die Pupillen sind, könnten es fast Schlangenaugen sein.«
Bevor die Situation noch peinlicher werden konnte, drang Ferndal schwanzwedelnd zu den beiden vor. Der Mann begrüßte den Wolf, streichelte ihn hinterm Ohr und tätschelte ihm freundschaftlich die Flanke. »Ich sehe, deine Verbrennungen sind gut verheilt, Ferndal«, meinte er.
Ferndal bellte zustimmend.
Kral unterbrach diese freundliche Wiedervereinigung. »Hätte vielleicht jemand die Güte, mir zu erklären, wer das ist?«
Mikela drehte sich um. »Sein Name ist Jaston. Er hat uns geholfen, Elena durch die Sümpfe zu führen.« Mikela erzählte ihnen eine kurze Version der Geschichte von ihrer Reise durch das Ertrunkene Land.
»Dann ist diese Sumpfhexe also ein Zwerg«, murmelte Kral, während sich seine Augen mit blindem Hass füllten, wie Mogwied es noch nie bei dem Gebirgler gesehen hatte.
»Ja«, antwortete Mikela. »Ich weiß, was du jetzt denkst…«
»Du weißt gar nichts von dem, was ich denke.« Krals Stimme klang eiskalt. »Du weißt nicht, wie brutal ihre stinkenden Brüder mein Volk aus seinem Heimatland am Amov Fels vertrieben haben. Es waren die Heere der Zwerge, die unsere Häuser zerstörten, unsere Frauen und Kinder mit ihren Spießen niedermetzelten und mein Volk zu Nomaden machten.«
»Cassa Dar ist nicht so«, erklärte Mikela. »Sie hat uns in den Sümpfen das Leben gerettet.«
»Sie hätte euch nicht zu retten brauchen, wenn sie Elena nicht verflucht und euch damit alle ins faule Moor getrieben hätte.«
»Da irrst du«, gebot Jaston dem Gebirgler energisch Einhalt. Sein Gesicht war während des Wortwechsels ganz rot geworden. »Du weißt nicht, wovon du sprichst. Cassa Dar verdient deinen Zorn nicht.«
Tol’chuk brummte seine Zustimmung und wollte damit die Spannung lösen. »Wenn Er’ril und Elena ihr vertrauen, dann sollten wir das auch tun.«
Kral ließ sich davon jedoch nicht beeinflussen. »Ein Zwerg ist ein Zwerg«, meinte er verärgert und entfernte sich einige Schritte von den anderen.
Mikela betrachtete Krals Rücken mit zusammengepressten Lippen, dann stieß sie einen langen Seufzer aus. »Menschen«, grollte sie und wandte sich wieder an Jaston. »Du hast also meine Nachricht bekommen?«
»Kurz vor dem Morgengrauen«, antwortete Jaston. Das Rot schwand langsam aus seinem Gesicht. »Es gelang uns gerade noch rechtzeitig, aus der Stadt zu fliehen, bevor die Tore geschlossen wurden.«
»Und Nebelbraut? Geht es der Stute des Mädchens gut?«
Jaston runzelte die Stirn. »Ja, aber vielleicht hätte ich euch allen einen Gefallen tun und dieses äußerst dickköpfige Stück Vieh an einen hungrigen Kro’kan verfüttern sollen. Sie ist die eigenwilligste und streitlustigste Stute, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe.« Er zählte der Reihe nach an den Fingern auf: »Auf dem Weg hierher wäre sie beinahe an einer Kolik gestorben, weil sie zu viel Sumpfmoos gefressen hatte. Als Sammers sie mit einem Kräutersud einreiben wollte, um ihren Magen zu beruhigen, biss sie ihn in den Ellbogen. Nach unserem Leithengst, der einen unserer Wagen ziehen sollte, schlug sie so heftig aus, dass dieser volle zwei Wochen lahmte. Deshalb mussten wir einen der Wagen zusammen mit einem Viertel unserer Sachen zurücklassen. Und letzte Nacht biss sie auch noch ihre Zügel durch, sodass wir sie in den Straßen von Port Raul erst wieder suchen mussten. Wir fanden sie schließlich bei einem Apfelverkäufer. Sie hatte seine Bude aufgebrochen und die Hälfte seiner Ware gefressen. Es kostete mich fast ein Vermögen, dem Mann den Schaden zu ersetzen.«
Mikela grinste, als sie die Geschichte hörte, und am Ende leuchtete auch in Jastons narbigen
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