Alasea 03 - Das Buch der Rache
Elena. Ihr Bruder stellte sich auf die Zehenspitzen, um in den dunklen Behälter zu spähen. »Da ist etwas…«
Er’ril winkte ihn zur Seite. »Wir haben jetzt keine Zeit, um uns näher damit zu befassen.«
»Nein, warte«, erwiderte Joach und blickte über die Schulter zurück zu Er’ril. »Es strömt eine Energie aus. Mein Stab wird ganz warm in seiner Nähe. Wir sollten uns zumindest einmal ansehen, was in dieser Kiste steckt.«
Er’ril zögerte erst, dann nickte er zustimmend. »Aber schnell, Falls die Matrosen unsere Flucht bemerken.«
Mithilfe von Joachs Stab versuchten sie die ganze Seite aufzubrechen, doch die Bretter wollten nicht nachgeben. Die Latten waren festgenagelt.
Elena trat vor. »Lasst mich euch helfen.« Noch bevor einer von beiden etwas einwenden konnte, hatte sie schon ihre flammenden Ranken aus Hexenfeuer zu der Kiste geschickt. Joach und Er’ril duckten sich, sie fürchteten die Berührung der lodernden Flammen. Doch ihre Sorge war unbegründet gewesen. Die Flammenstränge kamen einer Verlängerung von Elenas eigenen Gedanken gleich. Die Energie zog die Nägel wie ein Magnet aus dem Holz. Mit einem einzigen Energiestoß ließ Elena die Metallverschlüsse schmelzen. Schließlich fiel die Seitenwand der Kiste ab, und Er’ril und Elenas Bruder fingen sie auf und legten sie sanft auf den Boden.
Als das geschafft war, versammelten sich die drei vor der offenen Kiste. Elena hatte die Laterne vom Boden gehoben. Schweigend starrten sie auf die freigelegte Skulptur.
»Sieht aus wie eine große Amsel«, meinte Joach.
Die Statue musste aus Meisterhand stammen, sie war größer als Er’ril. Nur ein Handwerker von beträchtlichem Geschick konnte aus einem so großen Stein all diese Einzelheiten hauen. Jede Feder war klar herausgearbeitet; der scharfe Schnabel schien bereit zum Picken; die Augen, zwei Rubine, funkelten gierig im Lampenlicht. Die Krallen schienen sich in den Holzboden der Kiste zu graben, als hätte sich das geflügelte Tier gerade erst niedergelassen.
»Es ist kein Vogel«, meinte Er’ril resignierend.
Elena widersprach dieser Einschätzung nicht. Obwohl es Federn und Flügel besaß, hatte dieses Tier etwas eindeutig reptilienhaftes an sich. Der Hals war ein wenig zu lang, und die Gelenke seiner Beine schienen irgendwie falsch gebogen zu sein. »Was ist es dann?«
Er’ril wandte sich mit finsterer Miene an Joach. »Es ist ein Wyvern.«
Joach packte seinen Stab fester und trat zurück. »Wie in meinem Traum.«
»Wovon redet ihr zwei da?« fragte Elena.
Er’ril schüttelte den Kopf. Elenas Bruder und der Präriemann starrten einander an und schienen ihre Gesichtszüge gewaltsam zu kontrollieren, als hätte jeder etwas vor dem anderen zu verbergen.
Schließlich brach Joach das peinliche Schweigen. »Aber von einer Statue habe ich nichts geträumt. In meinem Albtraum flog das Tier.«
Der Präriemann starrte nur weiter sprachlos auf die Steinstatue, die Worte Joachs trösteten ihn nur wenig. Seine markanten Gesichtszüge wurden blass. »Das gefällt mir nicht.«
Auch Elena hatte kein gutes Gefühl. Sie hatte während der langen Reise hierher zu viele Statuen zum Leben erwachen sehen und konnte deshalb die Sorge nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen. »Du hast vorhin etwas von Energie gesagt, Joach. Vielleicht ist es so etwas wie die kristallene Statue des Jungen De’nal. Vielleicht wird auch diese hier zum Leben erwachen.«
Joach trat näher und stieg auf die herabgefallene Seitenwand der Kiste. Er streckte die Hand aus, um die Statue zu berühren.
»Geh zurück!« schalt Er’ril den Jungen.
Mit gerunzelter Stirn zog Joach die Hand zurück. »Dieser Stein ist seltsam. Obwohl er ganz glatt poliert ist, scheint er kein Licht zu reflektieren.«
Er’ril und Elena kamen näher, hielten jedoch einen sicheren Abstand ein.
»Was denkst du?« fragte Joach den Präriemann.
Elena war diejenige, die darauf antwortete. »Wir müssen das Ding zerstören. Jetzt sofort.«
»Warum?« fragte Joach. »Mein Traum war kein Gewebe. Moris und Flint haben es bestätigt. Dieser Vogel wird nicht zum Leben erwachen.« Er tippte mit der Spitze des Stabes dagegen.
Elena und Er’ril brüllten beide gleichzeitig ein aufgebrachtes »Nein!« heraus. Aber es schien nichts zu passieren. Nur ein hohles Klonk ertönte, als das Holz auf den Stein klopfte. Die Statue veränderte sich nicht.
Er’ril schob Joach beiseite. »Bist du nicht ganz gescheit, Junge? Mit schwarzer Magik macht man keinen
Weitere Kostenlose Bücher