Alasea 03 - Das Buch der Rache
solchen Unsinn.«
»Mit schwarzer Magik? Das ist ein ganz gewöhnlicher Stein.«
»Nein«, entgegnete Elena, »es ist ein Schwarzstein.« Sie deutete auf die Silberadern, die durch das dunkle Gestein verliefen. Sie hatte das Medium des Bildhauers erkannt. »Dieser Stein trinkt Blut.«
Flint wusste, dass er sich beeilen musste. Der Erste Maat, Meister Vael, war gegangen, um den Knochenbohrer zu holen, und würde in wenigen Augenblicken zurück sein. Wenn Flint sein eigener Herr bleiben wollte, durfte er keine Zeit verlieren.
Ursprünglich hatte er geplant, die Folter an Bord der Meereswind so lange zu überstehen, bis das Schiff Port Raul erreichte. Was waren schon eine gebrochene Nase oder ein wenig verlorenes Blut, verglichen mit der sicheren Ankunft des Mädchens in der Hafenstadt? Aber während Flint dem Kapitän zusah, wie dieser die Tentakel der schleimigen Kreatur in seiner Handfläche streichelte, wusste er, dass er sein ursprüngliches Vorhaben aufgeben musste.
Auf diesen Wellen ritt das Böse, und kein noch so schlaues Gerede würde sie sicher in den Hafen von Port Raul bringen. Sollte er unterliegen und ein Sklave dieser üblen Kreatur werden, dann würde Elenas Geheimnis bald keines mehr sein.
Flint brauchte eine neue Strategie. Und der erste Schritt, der ihm gelingen musste, war, mit unversehrtem Schädel davonzukommen.
Da sie ihm die Arme auf den Rücken gefesselt hatten, konnte Flint mit geschickten Fingern an die Manschetten seines zerschlissenen Rockes herankommen. Er hatte sich einst ein kleines Messer, nicht größer als ein Streifen Stahl, in den Stoff nähen lassen. Unter Piraten war es ratsam, eine Waffe dort versteckt zu haben, wo sie andere niemals vermuten würden. Als er das Messer schließlich zu fassen bekam, drückte er die Klinge durch den ausgefransten Saum. Sie bohrte sich durch den Stoff und wäre ihm beinahe aus den etwas hektisch agierenden Fingern gefallen, sodass ihm fast das Herz stehen blieb. Der Bruder biss sich auf die aufgesprungene Lippe, um sich mithilfe des Schmerzes besser konzentrieren zu können. Wenn ihm das Messer aus der Hand glitt, würde er für alle Zeiten verloren sein.
Flint beobachtete seinen früheren Kapitän genau, während er darauf achtete, dass seine heimlichen Bewegungen ihn nicht verrieten. Jarplin hatte früher ein sehr scharfes Auge gehabt und war nur selten auf eine Hinterlist hereingefallen. Auch wenn der Kapitän jetzt dieses Scheusal im Schädel hatte, konnte sich Flint nicht darauf verlassen, dass dadurch auch die Instinkte des Kapitäns abgestumpft waren.
Während er sich das Blut von den Lippen leckte, sprach Flint und hoffte, den Kapitän so von seinen Machenschaften ablenken zu können. »Wann bist du eigentlich der Sklave dieses kleinen Ungeheuers geworden, Jarplin? Wie lange ist es schon dein Kapitän?«
Wie erwartet, lief Jarplins Gesicht rot an, und seine Stirn legte sich in Falten. Auch wenn er von einem Monster besessen war, ein Teil von Jarplins Persönlichkeit hatte überlebt. Seit zwölf Wintern war Jarplin Kapitän seiner eigenen Flotte, und ihm vorzuwerfen, er sei nicht mehr an der Macht, war eine schlimme Beleidigung. Jarplin plusterte sich auf, ehe er seiner Zunge freien Lauf ließ. »Ich bin und werde immer der Kapitän dieses Schiffes sein!« Er deutete mit der freien Hand auf seinen Hinterkopf. »Ich bin nicht der Sklave dieses Dings; es ist mein Werkzeug. Es erlaubt mir, das Spiel des Lebens endlich so zu sehen, wie es wirklich ist: nämlich ein Machtspiel, in dem es nur einen Gewinner gibt. Und ich habe vor, auf der richtigen Seite zu stehen.«
»Und wie bist du zu diesem wunderbaren ›Werkzeug‹ gekommen?«
»Es war ein Geschenk.«
»Oh ja, da bin ich mir ganz sicher. Ein Geschenk, das du bestimmt gern angenommen hast«, antwortete Flint und sparte nicht mit Sarkasmus in seiner Stimme. Er sah, wie Jarplins Gesicht sich verzerrte.
Flint bohrte noch tiefer mit seinen Worten, während sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. »Wer war denn Kapitän, als man dir das angetan hat? Vael vielleicht? Zieht er an deinen Fäden? Bist du eine alberne kleine Marionette geworden?«
Jarplin zuckte zusammen vor Wut, beinahe hätte er das langarmige Untier von seiner Hand gestoßen. »Du weißt gar nichts! Du kannst gar nicht begreifen…«
»Ich sehe nur, dass der Kapitän, den ich einst respektierte, nun auf Geheiß seines gelbsüchtigen Ersten Maats katzbuckelt
der noch dazu ein stinkender Ausländer ist.«
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