Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
ihres verschollenen Königs. »Ich weiß nur, dass ich als Obstbauer geboren wurde, und mehr will ich auch gar nicht sein.«
»Ein Apfelpflücker!« Der Koch wieherte wie ein Maultier und klopfte Joach so herzhaft auf die Schulter, dass der fast in die Knie gegangen wäre. »Das glaube ich dir aufs Wort. Lang und schlaksig genug bist du!« Dann schob ihn der Koch ziemlich unsanft zu einem Küchentisch aus Eichenholz und zog mit dem Fuß einen Stuhl heran. »Und so, wie du hier reingekommen bist und die Nase in die Luft gestreckt hast, möchte ich wetten, du brauchst was zwischen die Zähne.«
»Ich habe tatsächlich … noch nichts gegessen.«
Der Koch drückte ihn auf den Stuhl. »Wie kommt das? Ich habe in diesen verfluchten Bankettsaal so viele Speisen tragen lassen, dass er bis zu den Dachbalken voll sein müsste. Die können das doch nicht alles schon aufgefuttert haben?«
Joach rutschte verlegen hin und her. »Ich wollte heute Abend nicht da oben essen.«
»Ach so, das kann ich verstehen. Das ewige Gequassel hält doch kein Mensch aus.« Der Koch winkte seine Gehilfen heran. Ein Zeichen mit dem Holzlöffel und ein strenges Stirnrunzeln genügten. Wenig später standen Platten mit Brot und dicken Käsescheiben und Obst auf dem Tisch. Ein kleiner Junge schleppte eine Schale so groß wie sein Kopf heran und stellte sie vor Joach hin. Sie enthielt einen dampfenden Eintopf aus Kaninchenfleisch, Kartoffeln und Karotten.
Der Koch schob ihm einen Löffel zu. »Nun iss, Prinz Joach. Nur einfache Hausmannskost, aber im Festsaal kriegst du sicher nichts Besseres.« Damit kehrte er an seine Herdfeuer zurück.
Das Küchenmädchen, mit dem Joach zusammengestoßen war, kam mit einer Kanne Bier an den Tisch geeilt, um seinen Becher zu füllen. Doch sie war so nervös, dass sie mehr verschüttete, als sie einschenkte. »Verzeihung, Verzeihung, Verzeihung«, sagte sie immer wieder. Es klang wie eine Litanei.
Joach legte seine Hand auf die ihre, und das Zittern hörte auf. Bald war der Becher voll. »Danke«, sagte er und konnte nicht aufhören, sie anzustarren.
Bisher hatte er ihre Augen für dunkelbraun, vielleicht sogar schwarz gehalten, doch aus der Nähe betrachtet waren sie tiefblau wie der Abendhimmel. Einen Atemzug lang drohte er in ihren Tiefen zu ertrinken. Obwohl der Becher bereits gefüllt war, nahm er die Hand nicht weg. »D danke«, wiederholte er.
Sie sah ihn unverwandt an, dann zog sie langsam ihre Finger zurück. Ihr Blick verharrte kurz auf dem maßgefertigten Lammfellhandschuh, den er trug, um die halb verheilte Wunde zu verbergen. Ein Bösewächter hatte ihm beim Sturm auf die Burg zwei Finger und die halbe Handfläche abgefressen. Dann sah sie ihm wieder ins Gesicht. Die Entstellung hatte sie nicht weiter erschüttert. Sie machte einen winzigen Knicks und wandte sich zum Gehen.
Joach hielt den Arm noch immer ausgestreckt. »Wie heißt du?« fragte er hastig, bevor sie flüchten konnte.
Diesmal fiel der Knicks etwas tiefer aus. Joach bedauerte, dass sie ihm nicht in die Augen sah. »Marta, edler Herr.«
»Aber …« Bevor er sich gegen die Anrede verwahren oder sonst noch etwas sagen konnte, huschte sie so flink davon, dass er nur noch ihre grob gewebten Röcke aufwirbeln sah.
Seufzend wandte er sich dem Essen zu. Der nagende Hunger war wie weggeblasen. Dennoch griff er nach dem Löffel und kostete von dem Eintopf. Der Koch hatte nicht übertrieben. Die Brühe war gut gewürzt, und das Kaninchenfleisch so zart, dass es ihm förmlich auf der Zunge zerging. Einen solchen Eintopf hatte er zum letzten Mal auf dem Hof seiner Eltern bekommen. Der Geschmack erinnerte ihn an zu Hause, wo seine Mutter im Winter die Mahlzeiten mit besonderer Sorgfalt zubereitet hatte. Sein Appetit kehrte zurück. Doch so köstlich es auch schmeckte, die nachtblauen Augen der Küchenmagd gingen ihm nicht aus dem Kopf.
Seine Tagträume und das Essen beschäftigten ihn so sehr, dass er gar nicht mitbekam, wie noch jemand die Küche betrat. Doch dann ließ sich hinter ihm eine Stimme vernehmen.
»Da bist du ja!«
Joach brauchte sich nicht umzudrehen, er wusste auch so, wer an der Tür stand Richald, der Bruder des Elv’en Prinzen Merik. Innerlich stöhnte er. Er hatte die Flucht zu früh abgebrochen.
»Es ziemt sich nicht, dass ein königlicher Prinz mit dem gemeinen Volk das Brot bricht«, sagte der Elv’e mit hörbarer Verachtung und trat näher.
Joach drehte sich um. Das Blut schoss ihm in die Wangen, teils vor
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