Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
zurück in den Kampf.
Da ertönte ein lauter Schrei.
Elena blickte auf. Der Feuervogel hatte es aufgegeben, sich durch ihre Schutzhülle brennen zu wollen, und machte seinem Ärger schrill kreischend Luft. Er flog hoch über der Lavaschlucht. Elena spürte, wie sich der Griff seiner Krallen lockerte. Er wollte sie in das flüssige Gestein fallen lassen.
Elena erschrak, dann handelte sie. So ohne weiteres ließ sie sich nicht in den Tod stürzen! Diesmal allerdings reagierte sie nicht nur mit den Instinkten der Hexe. Sie packte eine der Krallen, die sie festhielten, mit ihren beiden von Kaltfeuer glühenden Händen und leitete einen Eisstrom hinein. Das Schmelzgestein erstarrte zu massivem Fels.
Der Feuervogel kreischte auf und suchte sie abzuschütteln, aber jetzt war sie mit dem Fels verwachsen, und so sehr er sie auch umherschleuderte, er wurde sie nicht los.
Wieder stieß das Riesengeschöpf einen Schrei aus, machte jäh kehrt und glitt auf die Schlucht unter ihnen zu. Seine Absicht war unverkennbar: Der Vogel strebte in sein glutflüssiges Heim zurück.
Elena betrachtete die Landschaft unter sich und fasste einen Plan. Das Wichtigste war, genau den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Sie leitete alle Energien ihres Körpers in die erhobenen Arme und die geballten Fäuste und ließ sie nicht mehr abfließen. Die tobende Magik sammelte sich. Ihre Hände erstrahlten wie kalte Sonnen. Die Arme zitterten im Energiestau, und die Hexe in ihr schrie nach Befreiung, aber Elena hielt sie zurück und wartete, bis der Moment gekommen war.
Der Feuervogel schwebte tiefer und hatte fast den Rand der Schlucht erreicht. Seine Schwingen reichten von einer Seite der Schlucht zur anderen. Elena hielt den Atem an. Sie spürte mehr, als dass sie es sah, wie die Bestie die Flügel anlegen wollte, um sich in den Lavafluss zu stürzen.
Jetzt!
Aufkeuchend öffnete sie die Fäuste und setzte zwei Strahlen aus reinstem Kaltfeuer frei. Die Magik raste mit solcher Wucht aus ihrer Seele, dass sich ihr Körper spannte wie eine Bogensehne. Der eisige Energiestrom blendete sie, aber sie ließ nicht locker. Sie bot alles auf, was sie hatte, und schleuderte es gegen den Feuervogel. Vor langer Zeit hatte sie im Zahngebirge mit nur einer Faust voll Kaltfeuer einen ganzen Wald zu Eis erstarren lassen. Jetzt brauchte sie ein noch größeres Wunder.
Als der letzte Rest Magik aus ihrem Körper entwich, befielen sie leise Zweifel. Da wurde sie nach vorn geschleudert und schlug mit dem Kopf gegen die steinerne Kralle des Feuervogels. Ihre Hände lösten sich, die Arme fielen schlaff herab, und es wurde dunkel um sie.
Er’ril rannte am Rand der Schlucht entlang. Soeben war der Feuervogel über ihm in einer Eiswolke verschwunden. Sein schriller Schrei gellte ihm noch in den Ohren. Als er ihn das nächste Mal sah, stürzte er aus der Wolke, sein Feuer war gelöscht, und er bestand nicht mehr aus flüssiger Lava, sondern war ein Bildnis aus hartem Fels, das mit weit ausgebreiteten Steinschwingen auf die Schlucht zuraste. Doch bevor er in den Lavastrom stürzen konnte, wurden ihm die eigenen Riesenschwingen zum Verhängnis. Er verkeilte sich nur wenige Handspannen unter dem Rand der Schlucht und bildete nun eine steinerne Brücke.
Er’ril stolperte zum Felsrand und starrte auf den Vogel hinab. Elena! Er fiel auf die Knie und suchte nach ihr. Endlich entdeckte er an der Unterseite des Vogels eine Bewegung, einen weißen Arm, der matt hin und her schwang. Elena hing kraftlos in einer der steinernen Krallen aber sie war am Leben!
Hinter dem Präriemann erschienen Tol’chuk und Wennar.
Er’ril drehte sich um. »Holt die Kletterseile.«
Wenig später eilten die Zwerge zu der Brücke hinab und reihten sich auf der steinernen Vogelschwinge auf. Er’ril wurde in einer Seilschlinge zu der Kralle hinabgelassen. Die Hitze von unten raubte ihm den Atem. Seine Lungen brannten wie Feuer. Er schaukelte auf Elena zu, hakte die Füße unter der Vogelkralle ein, um Halt zu finden, und hielt der jungen Frau ein Büschel Kräuter aus Mama Fredas Vorrat unter die Nase.
Ihr Kopf fuhr mit einem Ruck in die Höhe, und sie öffnete langsam die Augen. Im ersten Moment erschrak sie und zuckte vor ihm zurück.
Er packte sie am Arm.
Da kam sie vollends zu Bewusstsein und sah ihn mit großen Augen an. »Er’ril?«
Er lächelte. »Beim nächsten Mal sollten wir solche Manöver vorher üben.«
Sie schaute zu dem steinernen Vogel auf, dann kehrte ihr Blick zu ihm zurück.
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