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Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Titel: Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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Gebirglers blähten sich, er nahm mit den Sinnen der inneren Bestie Witterung auf. Die Axt war nicht weit, und sie steckte noch in der Hülle aus Schneepantherfell. Solange der Pelz da war, konnte Kral in die Gestalt und in das Wesen des Panthers schlüpfen, aber er wagte zumindest jetzt noch nicht, sich als Gestaltwandler zu erkennen zu geben.
    Unweit von ihm hob Ni’lahn den Kopf und strich sich eine Strähne ihres honigblonden Haares aus dem Gesicht. Sie lag auf den Knien und beugte sich besorgt über den reglosen Meister Tyrus. »Man hat uns gefangen genommen, nun fahren wir nach Norden.«
    Kral runzelte die Stirn. Ein Sturm von widerstreitenden Empfindungen tobte in ihm. Der Blick aus den Veilchenaugen der Nyphai ging ihm durch Mark und Bein. Ihre Schönheit drohte ihn zu überwältigen. Ihre Lippen leuchteten wie eine blühende Rose auf frisch gefallenem Schnee. Er nahm ihren Anblick begierig in sich auf, aber sein Gesicht war wie aus Stein, und auch seine Stimme verriet nichts. »Wieso hat die Erde gebebt?«
    Schon verhallte das Splittern und Krachen, und das Beben unter den Rädern legte sich.
    Ni’lahn legte den Kopf schief und schwieg eine Weile. »Ich … ich höre Trauer im Lied des Waldes, aber mehr kann ich nicht sagen. Zerstörte Bäume, Wasserfluten.« Sie schüttelte den Kopf. »Eine Katastrophe irgendeiner Art. Was sie zu bedeuten hat, weiß ich nicht.«
    Über ihnen knallte eine Peitsche, der Wagen machte einen Satz und wurde schneller. Ni’lahn verlor das Gleichgewicht und fiel gegen Kral. Er fing sie auf und half ihr sanft, sich aufzurichten. Sie zog sich den Umhang zurecht und nickte ihm dankend zu.
    Ihr Duft schwerer Erdgeruch und Geißblatt stieg Kral in die Nase und drohte, die steinerne Maske zu sprengen. Er wandte sich ab.
    Meister Tyrus ließ ein Stöhnen hören.
    Das lenkte Kral ab. »Wie geht es dem Prinzen?« fragte er.
    Ni’lahn legte dem Verletzten die Hand auf die Schulter. »Er lebt, aber er wird von schlimmen Träumen gequält. Er kann nicht aufwachen.«
    »Und er schreit immer wieder«, fügte Mogwied hinzu und rückte näher. »Ein Heulen, dass einem das Blut in den Adern gefriert.« Er zitterte und schlang sich die dünnen Arme fest um die Brust.
    Kral musterte die beiden Gefährten. Nur zwei, die bei Bewusstsein waren, zu wenige für einen Überfall auf ihre Bewacher, selbst wenn es ihm gelänge, aus dem Wagen auszubrechen. Wäre der Prinz unverletzt gewesen, Kral hätte zumindest einen Versuch gewagt. Er hatte den Mann im Kampf beobachtet, ein lebendes Stahlgewitter. Tyrus war ganz der Sohn seines Vaters. Vor zehn Generationen hatte ein König von Burg Mryl Krals Bergstämmen während der Zwergenkriege zur Flucht verholfen. Seither standen sie in der Schuld des Hauses Mryl. Deshalb hatte Kral, obwohl er an das Schwarze Herz gebunden war, sich nicht verweigert, als der Prinz im Hafen von Port Raul zu den Waffen rief. Wie hätte er denn anders gekonnt?
    Der Herr der Dunklen Mächte mochte dafür gesorgt haben, dass Kral den Geschmack von Angst und rohem Fleisch zu schätzen lernte, aber er hatte sein Ehrgefühl nicht restlos weggebrannt. Einen weniger starken Mann hätte er vielleicht vollständig unterdrückt und zum Sklaven gemacht. Doch in Krals Adern pulsierte die Magik tiefer unterirdischer Gänge, die Magik der Knochen der Welt, des grauen Granits und des schwarzen Basalts, des gebänderten Achats und des glasigen Obsidians. Das Schwarze Ungeheuer von Gul’gotha hatte ihn gezeichnet, aber der Fels hatte sein tieferes Ich geschützt. Er war vom Dunkelfeuer gebrandmarkt, aber nicht gebrochen.
    »Wie lange fahren wir schon so?« knurrte er.
    Ni’lahn lehnte sich zurück und verkroch sich in ihrem Umhang. »Fast einen vollen Tag. Bald wird es Nacht.«
    Kral rutschte näher an die Bretterwand ihres Gefängnisses und spähte durch die Ritzen, doch das Licht war so schwach, dass er kaum etwas erkennen konnte. Er schloss die Augen und nahm die Sinne der Bestie in seinem Inneren zu Hilfe. Mit ihnen lauschte er dem Hufgetrappel und den Stiefeltritten, dem Klirren von Kurzschwert und Axt. Nun konnte er die dumpfen Herzschläge ihrer Bewacher zählen. Mehr als zwanzig der verfluchten Geschöpfe Zwerge, die Todfeinde seines Volkes.
    Vor langer Zeit hatten die Zwerge Krals Stammesgenossen aus ihrer Heimat, der mächtigen Zitadelle über dem blauen Amov See vertrieben. Bis auf den heutigen Tag sang man an den Feuern der Sippen Balladen und Klagelieder über diese blutige Schlacht

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