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Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Titel: Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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die grässlichen Monster, die üble Magik, die zahllosen Opfer. Von einem Volk, das nach Zehntausenden zählte, waren nur hundert entkommen, darunter Krals königliche Vorfahren, die einzigen Überlebenden der Senta Sippe, der Herrscherdynastie des Bergvolkes. Sein Ururahn hatte als Letzter auf dem Eisthron der Zitadelle gesessen. Derselbe Mann hatte die zerlumpten Horden aus den Bergen geführt, die ihre Heimat waren. Seither zogen sie als Nomaden durchs Land. Kral ballte die Fäuste so fest, dass ihm das Blut unter den Fingernägeln hervorquoll. Bald sollte Schluss sein mit dem Wanderleben! Er würde den Eisthron zurückerobern, der ihm aufgrund seiner Herkunft zustand, er würde sein Volk nach Hause holen, und er würde die Ehre der Senta Sippe wiederherstellen. Das gelobte er feierlich!
    Während der Wagen weiter nach Norden holperte, verlor Kral sich immer tiefer in der Vergangenheit. Wie erstarrt saß er da. Er wurde förmlich zu Stein. Zwei Tage vergingen. Durch einen Schlitz in der Tür wurde Essen ins Innere geschoben: schimmliges Brot, eine fleischlose Suppe. Kral würdigte den Fraß keines Blickes. Ni’lahn betreute den Prinzen und träufelte ihm Wasser auf die Lippen. Bei Nacht drängten sich die drei anderen dicht aneinander. Nur Kral blieb, wo er war ein Granitblock, reglos, unendlich geduldig. Gelegentlich zog ein Aufschrei des Prinzen seinen Blick auf sich. Aus Tyrus’ Stimme sprach blindes Entsetzen, es war das wirre Gefasel des Wahnsinns. Kral gab den Mann verloren und wandte sich ab. Tyrus mochte körperlich am Leben sein, doch sein Verstand war unwiederbringlich dahin.
    Die Zeit verstrich.
    Erst in der dritten Nacht regte sich Kral. Es war längst dunkel, der Mond stand hoch am Himmel und leuchtete durch die Ritzen im Dach. Der Wagen wurde langsamer, die kehligen Stimmen der Soldaten klangen noch derber, dazwischen erschallte grölendes Gelächter.
    »Sie werden wohl bald das Nachtlager aufschlagen«, flüsterte Ni’lahn.
    »Ich weiß nicht«, murmelte Mogwied, der das Gesicht an die vordere Wand drückte und mit einem Auge nach draußen spähte. »Ich sehe Fackelschein vor uns zwischen den Bäumen.«
    »Das ist kein Lager für eine Nacht«, warnte Kral. Sein Blut geriet in Bewegung. Er, der jede Schwingung in den Knochen der Welt spürte, wusste genau, was vor ihnen lag. Er biss die Zähne zusammen, konnte es kaum fassen, dass die anderen taub waren für das Dröhnen in seinem Kopf. Es klang, als näherten sie sich einer stürmischen Meeresküste, wo mächtige Wellen gegen Felsen geschleudert wurden.
    Der Wagen wurde noch langsamer. Neue Geräusche drangen ins Innere: Schwerterklirren, Pferdegewieher, Hörnergeschmetter. Kral holte tief Luft: Es roch nach Rauch und Kiefern, nach Blut und sonnengedörrtem Fleisch und nach Latrinengräben. Vor ihnen lag ein großes Feldlager. Heller Feuerschein drang durch die Ritzen in den Bretterwänden. Sie hörten die Zurufe, mit denen sich ihre Bewacher den Außenposten zu erkennen gaben.
    Als der Wagen ins Lager einrollte, kamen die Geräusche von allen Seiten. Immer wieder wurde mit Fäusten gegen die Seitenwände geschlagen und der Erfolg der Marodeure bejubelt. Aber noch hielt der Wagen nicht an.
    »Wo sind wir?« fragte Mogwied mit angstvoll aufgerissenen Augen.
    Kral blieb stumm. Endlich kam das Gefährt knirschend zum Stehen. Niemand wagte zu atmen. Nur Tyrus wälzte sich unruhig hin und her, gefangen in einem nicht enden wollenden Albtraum, der immer schlimmer zu werden schien.
    Ni’lahn blieb an seiner Seite. »Was ist mit ihm?«
    Plötzlich zitterten die Lider des Prinzen und öffneten sich. Er fuhr mit den Fingern durch die Luft. »Der Wall …« Sein Blick war klar, aber er war nicht bei sich. »Die Stimme des Landes … der Schmerz …«
    Ni’lahn nahm seine Hände und versuchte ihn zu beruhigen.
    Kral horchte auf. Irgendwo hinter dem Wagen klapperten Schlüssel. Er drehte sich um, ballte die Fäuste. Rasselnd fielen eine Kette und ein Vorhängeschloss zu Boden. Mit lautem Scharren wurde eine Holzstange zurückgeschoben.
    Kral machte sich bereit. Er griff auf die schwarze Magik in seinen Knochen zu auf Legions Magik, die Magik seines geheimen Ichs, das an den Klumpen Schwarzstein im Eisen seiner Axt gefesselt war. Er konnte die Waffe spüren sie war ganz in der Nähe , und er spürte auch, wie der Panther, der sich mit seinen Zähnen und Krallen unter seiner menschlichen Gestalt verbarg, zum Sprung ansetzte. Doch noch hielt er ihn zurück.

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