Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Ich habe mich an den Stab gebunden, um ihn besser beherrschen zu können.«
»Joach …« Sie musste ihn warnen. »Er’ril hat mir erklärt, dass solche Waffen, aus Blut und Geist geschmiedet, bisweilen ein Eigenleben entwickeln und zu gewissenlosen, gnadenlosen Geschöpfen werden können. Manche Blutwaffen sind so stark, dass sie ihre Besitzer beherrschen.«
Joach schüttelte den Kopf. »So weit lasse ich es nicht kommen. Ich behalte den Stab nur so lange, bis ich den Fluch gebrochen habe, der auf mir liegt. Danach werde ich das üble Ding eigenhändig verbrennen.« Er streckte seinen Armstumpf unter dem schwarzen Reitumhang hervor. »Doch erst einmal will ich dir zeigen, wozu es fähig ist.«
Der Armstumpf begann zu flimmern, und wie aus dem Nichts entstand eine Hand. Elena sah entsetzt, wie Joach die neuen Finger bog und streckte. Die Hand schien so wirklich wie seine eigene Linke. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die neue glatt und faltenlos war. Er hatte seine Jugend heraufbeschworen.
Joach nahm einen Stein und warf ihn in den Bach, dass das Wasser hoch aufspritzte und ein paar Frösche erschrocken davonhüpften. Er hob die Hand. »Ein Traumbild, das Wirklichkeit wurde.«
Elena war erst einmal sprachlos. »Joach«, sagte sie dann, »du hättest dich auf eine solche Magik niemals einlassen dürfen. Sie ist viel zu gefährlich.«
»Ich konnte nicht anders.« Das triefte nur so vor Verbitterung. »Ich habe zu viel verloren.«
»Aber die Lösung ist doch nicht, dich selbst zu einer Blutwaffe zu schmieden. Warum hast du das getan? Glaubst du, du könntest dir auf diese Weise einen neuen Körper zaubern?«
Joachs Miene verdüsterte sich. »Das wäre reine Illusion. Ich bliebe trotzdem ein Greis mit krummem Rücken.«
»Warum denn? Ich sagte doch schon, wir werden einen Weg finden, dir deine Jugend zurückzuholen. Ich bin sicher …«
»Es geht nicht nur um meine Jugend«, unterbrach er sie. Jetzt standen ihm die Tränen in den Augen. Er schnitt eine Grimasse, um sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Endlich stieß er schluchzend hervor: »Es geht um Kesla …«
Elena schwieg, denn sie spürte, dass auch das noch nicht alles gewesen war.
»Sie war so schön.«
»Ich weiß.«
»Doch das war es nicht allein. Ihr helles Lachen. Die Wärme ihrer Haut, als würde sie überall von der Wüstensonne beschienen. Und ihre Augen … so blau wie ein tiefer Oasenteich im Mondschein.«
»Du hast sie geliebt.«
Eine Träne rollte ihm über die Wange. »Aber sie war nichts.«
Elena runzelte die Stirn. Das klang wieder so bitter.
»Nichts als ein Traumgebilde.« Er hob die angezauberte Hand und schickte sie mit einer einzigen Bewegung ins Traumland zurück. Dann senkte er den Stumpf und richtete den Blick auf seinen Stab. »Nicht wirklicher als meine Hand.«
Elena ließ ihm Zeit, sich zu fassen, bevor sie mit fester Stimme sagte: »Du irrst dich. Sie war nicht nur ein Traum. Sie war eine Frau, und sie hat gelebt.«
Joach schüttelte den Kopf, wandte sich ab, wollte nichts mehr hören.
»Wer von uns weiß schon, woher er kommt?« fuhr Elena fort. »Der Leib mag aus der Vereinigung eines Mannes und einer Frau entstehen, aber wie durchdringt die Seele das Fleisch? Oder glaubst du, wir wären alle nur Fleisch?«
»Natürlich nicht.«
»Ich habe Kesla kennen gelernt. Sie war nicht nur Sand und Traum. Sie hatte eine Seele wie jeder von uns. Und wenn ihre Seele wirklich war, dann war auch sie selbst wirklich, wie auch immer sie das Licht der Welt erblickt haben mag.«
Er seufzte. Sie hatte ihn unsicher gemacht.
Elena griff nach seiner echten Hand und nahm sie zwischen ihre beiden. »Du hast sie geliebt. Kesla hätte deine Seele nicht anrühren können, wenn sie lediglich ein Traum gewesen wäre, wenn sie nicht den Geist des Lebens in sich getragen hätte.«
Er zog die Hand weg. »Aber was für eine Rolle spielt das noch? Sie ist nicht mehr.«
»Solange du sie in Erinnerung behältst«, entgegnete Elena leise, »lebt ihre Seele durch dich weiter.«
Joach ließ den Kopf hängen. »Und für wie lange? Mit diesem uralten Körper …« Er schüttelte den Kopf.
Sie legte ihm eine Hand auf das Knie. »Wir werden gemeinsam eine Lösung finden.«
Er ging nicht darauf ein, sondern versank wieder in seinen Grübeleien.
Von hinten näherten sich streitende Stimmen. Elena sah sich um. Er’ril kam mit Harlekin auf sie zu. Sie griff nach ihren Stiefeln und zog die Füße aus dem Wasser. Dann
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