Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
sondern von vielen Stimmen. Klägliches Fiepen von Koboldjungen und Hilfeschreie.
»Sie spüren es«, stöhnte sie und fiel auf die Knie.
Er’ril hörte es und sah sie stürzen.
Beim nächsten Hammerschlag schallten neue Schreie durch die dumpfe Leere in ihrem Herzen.
Er’ril packte sie an der Schulter. »Was hast du denn?«
»Wir töten sie noch einmal.«
Sie schaute zu ihm auf. »Tol chuk muss aufhören. Das darf so nicht weitergehen!«
»Warum nicht?«
»Tu einfach, was ich sage!« schrie sie, und die Tränen schossen ihr in die Augen. »Wenn du mich liebst, dann befiehl ihm, sofort damit aufzuhören!«
Er’ril sah ihr noch einen Atemzug länger besorgt in die Augen und eilte davon.
Elena unterbrach ihre Magik, schlang die Arme um den Oberkörper und wiegte sich hin und her. »Nicht weiter …«, murmelte sie.
Das Knochengefängnis blieb bestehen, aber ohne den Einfluss ihrer Magik begannen die gefrorenen Gebeine knirschend und knackend aufzutauen.
»Was sollen wir denn tun?« fragte Er’ril, als das Knochenheer von neuem erwachte.
Elena schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Schorkan trat näher an Mogwied heran. »Du wirst von deinen Gefährten als Erster leiden.«
Mogwied wollte zurückweichen, aber er hatte sich mit den Füßen in seinem Umhang verfangen, und sein Bündel klemmte unter einem Knie fest. Mit letzter Kraft versuchte er, sein müdes Fleisch von der Wolfs in die Menschengestalt zurückzuzwingen, doch es widersetzte sich. Er verdoppelte seine Anstrengungen. Wenn er noch eine Chance haben wollte, müsste er wenigstens seine Zunge befreien, um dem Dämon erklären zu können, dass sie beide demselben Herrn dienten. Doch sein Fleisch war zu träge und gehorchte ihm nicht.
Der Stab kam auf ihn zu.
Ferndal regte sich in ihm. Setz dich zur Wehr!, glaubte er ihn rufen zu hören.
Aber Mogwied war kein Kämpfer. Er überlegte fieberhaft und beschloss, den Magiker auf andere Weise zu überzeugen. Er packte mit seinen erst zur Hälfte verwandelten Gliedmaßen sein Bündel, riss es auf, kramte ungeschickt herum und förderte endlich das kleine Schwarzsteinei zutage, das ihm der Herr der Dunklen Mächte gegeben hatte. Es war für Greschym bestimmt gewesen, doch der war inzwischen bereits gestorben. Sicher enthielt es irgendeine dunkle Magik, etwas, was dem Magiker hatte helfen sollen, sich der Gefangenschaft zu entziehen. Mogwied hob seinen Fund in die Höhe und bemühte sich verzweifelt zu sprechen.
Schorkans Narbengesicht erstarrte vor Schreck.
Mogwied überwand sein träges Fleisch und würgte gurgelnde Laute hervor. »Für dich!« Er rollte das Ei auf den Magiker zu. Damit sollte er seine Loyalität zur Genüge bewiesen haben.
Schorkan reagierte anders als erwartet. Er heulte laut auf und wich zurück. Sein schwarzer Stab brach über die ganze Länge in schwarze Flammen aus. »Nein!« Aber die vorangegangenen Kämpfe hatten den Dämon geschwächt. Nun war er es, der stolperte.
Das Ei hatte die Zehen des Magikers erreicht und explodierte, als wäre ein ganzes Gewitter in seiner steinernen Schale gefangen. Unter den Füßen des Dunkelmagikers brach der Silbersee wie dünnes Eis. Sprünge breiteten sich nach allen Seiten aus. Die Erde bebte.
Mogwied wich zurück. Allmählich dämmerte ihm die Erkenntnis, dass das Ei nicht als Geschenk gedacht gewesen war, sondern als Strafe.
Rauchfäden schossen in die Höhe und wanden sich um den Dämon. Wo sie ihn berührten, erstarrten Fleisch und Kleidung zu schwarzem Kristall. Der Magiker setzte seinen Rückzug fort, aber seine Beine waren bereits versteinert. Auch als er krachend zu Boden stürzte, ließ der Rauch nicht von ihm ab.
Das Feuer in seinem Schwarzsteinstab erlosch, als seine Narbenfinger kristallisierten. Ein Schrei entrang sich seiner Kehle und endete in einem dünnen Winseln. Einen Atemzug später war er verstummt.
Mogwied kam noch immer halb Wolf, halb Mensch auf die Beine. Vor ihm lag eine Statue aus schwarzem Kristall auf der silbernen Fläche des Sees. Er konnte Ferndals Gedanken nicht lesen, aber er spürte die Verwirrung, den Schock und die stumme Frage: Bruder, was hast du getan?
Mogwied schüttelte den Kopf. Er hatte keine Antwort. Er schaute zu dem riesigen Wehrtor auf und wich langsam zurück. Innerlich spürte er den leisen Verdacht seines Bruders. Wolltest du uns verraten, oder wolltest du uns retten?
Er’ril hob sein Schwert, als das Knochenheer aus der Kältestarre erwachte und sich von neuem
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