Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Holz brannte wie Zunder. Brüllend schossen die Flammen in die Höhe. Kast tänzelte zurück, schleuderte die Fackel auf die am Boden liegenden Bücherstapel, drehte sich wieder um und rannte hinaus.
Er warf die dicke Holztür hinter sich zu und verriegelte sie, indem er seinen Dolch in den Pfosten stieß und die Klinke mit seinem Gürtel daran festband. Von drinnen waren verzweifelte Schreie zu hören. Jemand hämmerte gegen die Tür. Die Bibliothek hatte keinen zweiten Ausgang. Der einzige Fluchtweg ging über die Wendeltreppe hinauf zum Observatorium, doch von dort gab es nur noch den Sturz in den Tod.
Kast wandte sich ab. Er musste Hilfe holen, noch war nicht sicher, ob das Nest auch wirklich restlos ausgeräuchert war. Er eilte an die Stelle zurück, wo er Saag wan abgelegt hatte.
Da er die Fackel mitgenommen hatte, um das Feuer zu legen, war nun alles dunkel und voller Schatten und der Gang war leer.
Fassungslos starrte er in die Finsternis. »Saag wan …«
Greschym versuchte, das Dunkel der Leere zu durchdringen. Wo war er? In weiter Ferne zuckte ein Licht auf, ein azurblauer Blitz, der sofort wieder erlosch.
Er verbrauchte den letzten Rest der dunklen Magik aus seinem Knochenstab, um seine Schutzhülle zu verstärken. Langsam kroch Verzweiflung in ihm hoch. Hinter ihm winselte Ruhack noch immer. Ob der Gnom ahnte, dass er verloren war?
Greschym senkte den Stab und fügte sich in sein Schicksal. Wenigstens hatte er noch einmal vom Wein der Jugend gekostet, auch wenn es nur ein Schlückchen gewesen war.
Dann war es, als platzte eine Blase, die Leere verschwand, und die Welt kehrte zurück. Form und Farbe brachen so jäh über Greschym herein, dass er auf die Knie fiel. Ruhack vergrub seine Schweineschnauze im Schlamm und jaulte. Greschym versetzte ihm einen Stoß. »Still, Hund!« Doch es klang nicht böse. Was er sah, verschlug dem Magiker fast die Sprache.
Die beiden standen immer noch auf der Landspitze, doch der Mondsee war jetzt leer. Seine überfluteten Ufer boten ein Bild des Grauens. Nichts als entlaubte und umgestürzte Bäume, so weit das Auge reichte. Am Himmel stand klar und kalt der Mond und schien gleichgültig auf die Stätte der Verwüstung herab.
Die Nacht war totenstill. Kein Vogelgezwitscher, keine Stimmen, keine Schreie. Greschym spitzte die Ohren, doch kein Geräusch wies auf Überlebende hin. Nichts.
Er schaute sich um da bemerkte er ein Flimmern und wandte sich wieder der Seemitte zu. Auf dem sandigen Boden standen da und dort noch Pfützen, und so glaubte er zunächst, er hätte nur das Mondlicht auf dem Wasser gesehen. Doch es war ein heller Strahl, der immer länger wurde, als bräche die Sonne zwischen zwei dunklen Wolken hervor ein Mondscheinspeer, der vom Himmel herab in den See fuhr.
»Was ist das?« murmelte er und beschattete seine Augen. Im Herzen des Lichtstrahls pulsierte ein Magik Strom. Greschym hob seinen Röhrenstab. Wenn er an diese Energie herankäme …
Er trat einen Schritt auf den See zu. Doch bevor er einen zweiten tun konnte, zerbarst der Lichtspeer. Die Scherben regneten herab und bohrten sich in den nassen Sand. Eis?
Greschym berührte eins der Stückchen mit seinem Stab und spürte Mondenergie. Es war gefrorenes Seewasser! Er zog das Quäntchen Magik ins Innere seiner Waffe, dann betrachtete er lächelnd die vielen tausend Eisbrocken. Es war weniger, als er sich erhofft hatte, aber fürs Erste würde es genügen.
Wieder blickte er auf den See hinaus, und diesmal sah er, wie sich in der Mitte des leeren Beckens mehrere Gestalten aus dem Sand erhoben. Misstrauisch trat er einen Schritt zurück. Stimmen drangen zu ihm, Ausrufe des Schreckens und der Verwirrung.
»Wo sind wir?« Das klang noch ziemlich matt.
»Ich weiß es nicht.« Diese Stimme hörte sich kräftiger an. Und sie war Greschym vertraut.
»Unmöglich«, flüsterte er, duckte sich und schärfte mit dem Magik Rest aus seinem Stab seine Augen und Ohren. Die schlammbedeckten Gestalten irrten ziellos in der Mitte des Sees umher. Greschym musste sich beherrschen, um nicht zu knurren wie ein Tier. Das konnte nicht sein.
Er’ril stapfte auf Elena zu. Der nasse Sand drohte ihm bei jedem Schritt die Stiefel auszuziehen. »Ich weiß nicht, wo wir sind, aber dem Stand der Sterne nach müssen wir sehr weit von A’loatal entfernt sein.«
Elena hob den Kopf. Sie hatte ihre Hände betrachtet. Beide waren ungewohnt weiß. Die Rose war verschwunden. »Mag sein. Aber wohin hat es uns denn nun
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