Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
um seine Hüfte. »Ein paar Tropfen Blut, mehr war nicht nötig.« Sie zeigte auf einen der Gelehrten, der gelben Schärpe nach ein junger Novize, der zusammengesunken an der Wand lehnte. Die Vorderseite seiner weißen Kutte war voller Flecken
ein grauenvoller Anblick. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. »Vielleicht auch etwas mehr als nur ein paar Tropfen«, berichtigte sich Saag wan.
Kast fuhr zurück, aber der Arm um seine Hüfte hielt ihn fest wie ein Schraubstock. Er wehrte sich heftiger, da packten ihn von hinten andere Hände mit eisernem Griff. »Was …?« würgte er heraus.
Bruder Ryn trat auf Saag wan zu. »Ein Drache, über den wir frei verfügen können. Das hast du gut gemacht, meine Liebe.«
Saag wan ließ Kast los und schaute ihm ins Gesicht. Die anderen hielten ihn weiter fest.
Bruder Ryn hob die Hand. Auf seinem Handteller lag ein schleimiges Etwas mit langen Tentakeln, die sich über Handgelenk und Unterarm schlängelten. Einer der Tentakel tastete blind in Kasts Richtung. An seinem Ende öffnete sich ein runzeliger, mit Saugnäpfen besetzter Mund.
Kast erbleichte.
»Erkennst du das Kerlchen wieder?« fragte Bruder Ryn.
Kast hatte tatsächlich schon von solchen Ungeheuern erzählen hören. In Port Raul hatten sie sich in den Gehirnen einer ganzen Piratenmannschaft eingenistet. Elena und ihre Verbündeten waren damals nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Ryn hob das Untier stolz in die Höhe. »Der Meister hat ihre Form verbessert. Es ist eine neue Generation.«
»Das letzte haben wir für dich aufgehoben«, erklärte Saag wan.
Kast bot alle Kräfte auf, um sich loszureißen.
»Aber hundert Eier liegen noch im Meer«, lächelte Bruder Ryn. »Und jedes enthält zwanzig dieser Geschöpfe.«
»Wir werden sie für unseren Meister holen«, fügte Saag wan hinzu. »Wir beide, du und ich.«
»Niemals«, zischte Kast.
»Du hast gar keine Wahl, mein Geliebter.« Sie legte Kast die Hand an die Wange und flüsterte in spöttischem Ton: »Ich brauche dich.«
Wie gelähmt starrte Greschym den blutenden Mond und die tiefroten Rinnsale an, die zur Erde strömten.
Das Licht war unheimlich. Überall am See gellten Schreie auf. Menschen wateten hektisch ans Ufer. In den Lagern zwischen den Bäumen loderten die Fackeln heller. Die fröhliche Musik verstummte. Die Segelschiffe verließen hastig die Mitte des Sees. Bald war niemand mehr im Wasser.
Sogar Ruhack reagierte auf die Veränderung des Mondes. Der Stumpfgnom kroch winselnd im Staub und scharrte mit Hufen und Krallen tiefe Furchen in die Erde.
Greschym hob seinen Knochenstab und versuchte zu ergründen, wie weit die Gefahr ihn selbst betraf. Auf dem See setzte der Blutbann seinen Weg über das silberne Wasser fort und nahm weiterhin das gefangene Mondlicht auf. Irgendwann musste Greschym diese Energie an sich ziehen, doch vorerst hielt er sich noch zurück.
Das Spiegelbild des Mondes in der Mitte des Sees war die hellste Stelle in den glänzenden Fluten. Aber auch dort zeigte sich der blutrote Fleck.
Greschym hielt den Atem an, als sich die Woge seiner dunklen Magik dem Bild näherte. Er war nicht sicher, was geschehen würde, wenn sich die beiden berührten. Er spürte in dem Wasser eine ungeheuere Macht. Die Elementarkräfte des Mondsees hatten auch die Energie des seltsamen Phänomens in sich aufgenommen.
Der dunkle Bann hatte das Rot fast erreicht. Ein gespenstisches Flimmern stieg aus dem See, ein azurblauer Nebel. Greschym runzelte die Stirn. Was war das?
Der Nebel brodelte wie von unsichtbaren Winden aufgewühlt und verdichtete sich. In ihm entstand die Gestalt einer Frau. Sie stand in der Mitte des Mondbildes, im Herzen des rubinroten Flecks, drehte sich langsam um sich selbst und suchte die Ufer ab.
Greschym war nicht der Einzige, der sie bemerkte. »Die Herrin vom See!« rief jemand überrascht. Andere Stimmen nahmen den Ruf auf. Alle Augen richteten sich auf die Erscheinung. Wo eben noch Panik geherrscht hatte, machte sich ehrfürchtiges Staunen breit. Erwartungsvolle Stille senkte sich über die Wälder.
War das wirklich die Herrin vom See?
Greschym musterte sie, indes seine eigene Magik dem roten Wasser immer näher kam.
Die Geisterfrau drehte sich in seine Richtung. Selbst auf die Entfernung spürte er, wie ihr Blick auf ihn fiel. Langsam hob sie einen Arm und zeigte anklagend auf ihn.
Greschym hob den Stab, drehte ihn einmal und umgab sich und Ruhack mit einem Schutzzauber. Gleich darauf war er darüber sehr
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