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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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Film hatte er beobachten können, dass normale, vernünftig denkende Männer und Frauen hohe Achtung vor den überlieferten Sitten und Gebräuchen hatten. »Was stimmt mit meinem Großvater nicht?« fragte er so plötzlich und so aggressiv, dass sie zurückwich und schnell entgegnete: »Was soll mit deinem Großvater nicht stimmen? Ich habe gehört, er sei ein feiner Mensch. Mr. Afanasi hat das gesagt.«
    »Afanasi!« wiederholte der Junge geringschätzig. »In unserem kleinen Dorf bekämpft er alles, was mein Großvater macht. Aber in der großen Stadt, im Film, respektieren sie ihre Schamanen. Sie wissen, dass sie gebraucht werden.«
    Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, ließ er sich schwer auf ihr Bett fallen, zitterte, als hätte ihn eine dunkle Macht gepackt, und nach einigen Versuchen, sich wieder zu fangen, sagte er sanft: »Ich sehe Dinge, die andere nicht sehen, Miss Scott. Ich weiß, wann die Wale zurückkehren.« Als Kendra darauf nichts erwiderte, ergriff er ihre Hand und sagte leise, aber mit Nachdruck: »Das Mädchen, das Sie in Ihr Herz geschlossen haben - es wird Schreckliches mit ihr passieren. Sie wird nie ein College besuchen, so wie Sie sich das wünschen. Und auch ich nicht. Ich werde Schamane.«
    Damit erhob er sich vom Bett, verbeugte sich kurz in ihre Richtung, dankte ihr für die Hilfe und sagte, schon in der Tür: »Sie sind eine gute Lehrerin, Miss Scott, aber Sie werden nicht lange in Desolation bleiben. Sie stellen die neue Lebensweise dar, aber bei uns wird die alte niemals aussterben.« Bevor sie noch etwas sagen konnte, war er schon verschwunden, die Tür leise hinter sich zuziehend.
     
    Zunächst war sie geneigt, Afanasi von diesem seltsamen nächtlichen Ereignis zu berichten, aber dann kam sie zu der Überzeugung, dass das wenig hilfreich wäre. Am liebsten hätte sie Jeb bei sich gehabt, seine Beurteilung wäre nüchterner und gewichtiger ausgefallen. In dieser für sie verwirrenden Geistesverfassung bereitete sie sich auf das Ende ihres ersten spannungsreichen Schuljahres vor, und manchmal, als der Frühling immer weiter in den noch erstarrten Norden vordrang, winkte sie nachmittags dem jungen Borodin zu, wenn er auf seinem Schneemobil vorbeiraste und sie versuchte, ihn dazu zu bewegen, Anfang Sommer sein Studium an der Universität wiederaufzunehmen.
    Immer aber redete er von anderen Interessen, die aber im Dunkeln blieben, dann davon, dass er sich Arbeit in Prudhoe Bay suchen wollte. »Auf jeden Fall kommen nächste Woche die Wale auf ihrer Wanderung Richtung Norden hier vorbei«, sagte er dann unvermittelt, und diese eher gedankenlos dahingeworfene Vorhersage führte sie direkt ein in eine jahrtausendealte ehrwürdige Tradition der Eskimos. Wenig später, an einem Donnerstag, barst das Dorf vor Aufregung, als die Späher, die Afanasi in einem Umiak am äußersten Rand der Eisdecke jenseits der freien Wasserrinne zur Küste hin stationiert hatte, über Funk meldeten: Aussichtsposten in Point Hope melden fünf Grönlandwale in unsere Richtung.
    Afanasi, der seit Tagen nur auf diesen Funkspruch gewartet hatte, fuhr mit seinem Pritschenwagen an der Schule vorbei, rief Kendra zu, sie solle einsteigen, und wartete dann ungeduldig, bis sie sich ihre Eskimoausrüstung angezogen hatte. »Jetzt werden Sie was erleben!« rief er aufgeregt, als sie runter bis an den Eisrand fuhren, wo ein Skidoo bereitstand, ihn über das Küsteneis bis zur offenen Wasserrinne zu bringen. »Ich mag diese Dinger zwar nicht«, sagte er zu Kendra, »aber springen Sie auf.« Dann rasten sie auf die holprige Fläche zu und bahnten sich ihren Weg über die Eishügel.
    Als sie die Wasserstelle erreichten, wo der Umiak wartete, wurden sie von Afanasis Mannschaft aus fünf erprobten Walfängern begrüßt, und Kendra schaute bewundernd zu, wie geschickt sich Afanasi in das Boot gleiten ließ, um den Fellboden mit seinem schweren Schuhwerk nicht zu durchstoßen.
    Die Walfänger von Desolation - und jeder, der etwas auf sich hielt, wollte dazugehören - benutzten zwei verschiedene Bootstypen: einmal den traditionellen Umiak, der per Hand gerudert wurde, wenn die Wale dicht am Ufereis vorbeizogen, und andererseits das Aluminiumskiff mit Außenbordmotor, wenn die Fahrrinne sehr breit war und die Wale weit von der Küste entfernt schwammen. Afanasi, als Bewahrer der alten Gebräuche, hatte nicht viel übrig für die Skiffs, genauso wenig wie für die lärmenden Skidoos. Er war ein Mann des Umiaks.
    Gemächlich Richtung

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