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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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an Land gezogen wurde, ihre Lieder, die sie von ihren Müttern und Großmüttern übernommen hatten. Nacht der Triumphe!
    Als Kendra die Männer und Frauen um sich herum beobachtete, wurde ihr klar, dass sie sie vorher nicht wirklich gekannt hatte. Bislang hatte sie in ihnen nur die aus ihrer Tradition gerissenen Eskimos gesehen, die sie liebgewonnen hatte, in ihrem manchmal aussichtslosen Kampf mit der Lebensweise der Weißen. Jetzt erkannte sie in ihnen die Meister ihrer eigenen Welt, wohl eingestimmt auf ihre Umgebung und bewährten Mustern folgend, die ihnen ein Überleben in der Arktis sicherten. Die Eskimokinder hatten bereits im vergangenen September angefangen zu lernen, als sie zum Unterricht in der Schule erschienen, sie selbst fing erst jetzt in dieser Mainacht, als silbriges Licht auf dem Eis schimmerte, mit dem Lernen an.
    Sobald der Wal an eine sichere Stelle gezogen war, traten Männer mit langen Stangen vor, an der Spitze scharfe Klingen, und wollten zur Schlachtung übergehen, aber noch zögerten sie, bis Afanasi, ihr einzigartiger Anführer und Beschützer ihres Distrikts, den ersten zeremoniellen Schnitt getan hatte, und als er jetzt sein Jagdmesser über den Schwanz und eine Flosse führte, war er kein einfacher Ureinwohner, der ein College besucht, erfolgreich in Seattle gearbeitet hatte und nun eine einträgliche Dorfgenossenschaft leitete, er war ein Eskimo, das graurotblonde Haar nach vorne gekämmt, bis auf die Augenbrauen fallend, die Hände rot vom Blut des Wals.
    Jubel ertönte, seinen Sieg zu würdigen. Dann schritten die anderen Männer schnell zur Schlachtung über. Junge Leute drängten sich vor, um ihre Brocken Muktuk zu ergattern, die Köstlichkeit aus zäher Außenhaut und saftigem Innenspeck. Als das Licht des neuen Tages über die Anhöhe brach, auf der Desolation lag, freuten sich alle, dass ihre Tapferkeit durch den erfolgreichen Fang eines Grönlandwals wieder einmal unter Beweis gestellt worden war. Kasm Hooker, dem noch rechtzeitig einfiel, seine junge Kollegin zurück zu ihrer Wohnung zu bringen, sagte ganz überrascht, als er sie anschaute: »Kendra! Sie weinen ja!« Und sie entgegnete: »Ich bin so stolz, dass ich dazugehören darf.«
    Was ihr jedoch am meisten Freude bereitete, wenn es auf ihr Gemüt auch nicht die einzigartige Wirkung ausübte wie die Erbeutung des Wals, ergab sich erst viel später, Mitte Juli, als das Fleisch von der Schlachtung wieder aus den Tiefkühltruhen hervorgeholt wurde, die vier Umiaks des Dorfes an Land gezogen und als Schutz gegen den bitterkalten Wind von der Chukchisee auf die Seite gekippt wurden, so liegenblieben und zum Treffpunkt der verschiedenen Gruppen wurden, in die sich die Dorfgemeinschaft historisch schon immer aufgeteilt hatte. Mr. Hooker wurde als Ehrengast in Afanasis Lager eingeladen, Kendra in den Umiak, der Jonathan Borodins Familie gehörte, und sie freute sich, als Jonathan gerufen wurde, feierlich ein besonderes Stück Fleisch entgegenzunehmen, als Dankesbezeigung dafür, dass er vorhergesagt hatte, wann die Wale die Stelle passierten. »Woher hast du das gewusst ?« fragte ihn Kendra, als er sich wieder auf ihrer Seite einfand. »Er hat es mir gesagt.« Und zum ersten Mal blickte sie auf in das Gesicht eines alten Mannes, der an einem rauhen Stock ging, geschnitzt aus einem Stück Treibholz, das nach einem fürchterlichen Sturm aus Sibirien angeschwemmt worden war.
    Der Mann war Jonathans Großvater, felsenfest davon überzeugt, dass seine Anrufungen die Wale nach Desolation geführt hatten, und es fiel ihr auf, dass er sie mit Missfallen betrachtete. Der junge Mann machte keine Anzeichen, sie vorzustellen, und leise zog sich der alte Mann von dem Geschehen zurück.
    Es war ein festlicher Nachmittag, ein wahrer Ausbruch der Lebensgeister der Eskimos, mit Essen, Gesang und stillem, manchmal fast bewegungslosem Tanz. Als die Feier ihrem Höhepunkt zustrebte, schickte jede Gruppe ein junges Mädchen aus ihrer Mitte nach vorne, um am glanzvollsten Ereignis des Tages teilzunehmen. Die Männer des Dorfes stellten sich um eine große runde Decke aus zusammengenähten Walro ss häuten auf, hoben sie hoch und spannten sie stramm. Dann stieg das erste der Mädchen, die an dem folgenden Wettbewerb teilnahmen, auf die Decke, und auf ein Zeichen hin, in einem gleichmäßigen Rhythmus, dass das Fell mal stärker, mal weniger gespannt war, zogen die Männer am Rand nach außen und warfen das Mädchen hoch in die Luft. Seit

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