Alaska
zurückverfolgt, wofür de Stoeckl das Geld verwendet hat, das ihm bei dieser ganzen anrüchigen Affäre zur Verfügung stand, jeden einzelnen Dollar, und ohne jegliche Zahlentricks konnte ich eindeutig nachweisen, dass de Stoeckl nicht nur über die hundertfünfzigtausend Dollar disponieren konnte, von denen bei den amerikanischen Forschern immer die Rede ist, sondern über fast die doppelte Summe. Was also ist mit dem Geld geschehen? Amerikanische Historiker hatten schon immer den Verdacht, dass sich de Stoeckl mit diesem Geld Stimmen im Repräsentantenhaus erkauft hat, aber konnten bislang keinen Beweis erbringen. Ich habe den Beweis. Mit viel Sorgfalt und strengster Diskretion ist es mir gelungen, Familiendokumente zu erwerben, alte Quittungen und Belege, Zeitungen von damals, in denen Verdächtigungen geäußert wurden und stichhaltige Beweise.
Amerikanische Unterlagen, englische und deutsche Konsulatsberichte - diese Deutschen, wirklich kluge Leutchen! - und diesen Stapel russischer Quellen. Alle zusammen belegen ohne jeden Zweifel, dass de Stoeckl Teile des amerikanischen Kongresses bestochen hat, und zwar in einem unglaublichen Maße.«
Hier machte er eine Kunstpause, lächelte jeden seiner Besucher freundlich an und legte sich dann für seinen letzten und wichtigsten Punkt noch einmal mächtig ins Zeug:
»Verstehen Sie, was das heißt? Der Verkauf war ungültig - vom Augenblick der Entschließung im Kongress an. Die amerikanische Regierung wollte Alaska überhaupt nicht haben. Sie wusste , dass dieses abgelegene Gebiet nicht zum Territorium der Vereinigten Staaten gehörte. Die Stimmung war einheitlich dagegen, unser Land zu erwerben - oder wenigstens dafür nichts zu zahlen, wenn man es schon erwarb. Aber de Stoeckl, dieser gerissene Gauner, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte, drängte Amerika förmlich, das Land zu kaufen, und erreichte den Zwangskauf, indem er Kongressabgeordnete dafür bezahlte, wenn sie gegen ihr nationales Interesse stimmten. Der Erwerb Alaskas durch die Vereinigten Staaten beruhte auf unlauteren Mitteln und muss rückgängig gemacht werden.«
Damit war die Zeitbombe über Alaska gezündet, sowohl in Irkutsk, wo Voronov die einzelnen Bausteine für das Fundament zusammentrug, und in Moskau, wo kluge Fachleute wie Zelnikov und Petrovsky über die geopolitischen Schritte nachdachten, die nötig waren, wenn der Anspruch auf Alaska Erfolg haben sollte. Alle, die an diesem heiklen Projekt beteiligt waren, dachten stets an die Schlussworte , die Maxim Voronov am Ende der Besprechung in Irkutsk gesprochen hatte: »Die Zeit für uns zu handeln ist erst dann reif, wenn in der ganzen Welt große Veränderungen vor sich gehen. Aber solche Veränderungen ereignen sich jedes Jahrhundert, und wir sollten bereit sein, wenn die nächsten anstehen.« Weder er noch Zelnikov glaubten, dass die Vereinigten Staaten ihre Machtstellung in Alaska freiwillig aufgeben würden. »Sie haben ihr Territorium von der Ausgangsbasis am Atlantik bis zum Pazifik ausgedehnt, und dafür haben die Menschen zu viel geopfert, als dass sie auch nur einen Fußbreit abtreten«, sagte Voronov warnend, aber Zelnikov verbesserte: »Sie werden nicht nachgeben, jedenfalls nicht von sich aus. Die Weltmeinung, die Weltlage, wird sie dazu zwingen, und sich der zu widersetzen, sind sie zu machtlos.«
Es gab noch einen dritten Experten, nicht aus Asien, sondern aus Europa, der sein besonderes Augenmerk ebenfalls auf Alaska gerichtet hatte, ein gebürtiger italienischer Vulkanologe, auf einem Bauernhof am Fuß des Vesuvs aufgewachsen, und da er als Kind schon sehr frühreif war, hatte er sich mit vierzehn bereits zu einer Art Vulkan- und Erdbebenexperten gemausert. Mit fünfzehn ging er an die Universität von Bologna, wo er sich herausragende Kenntnisse in Naturwissenschaften erwarb, und mit zwanzig besuchte er das California Institute of Technology, wo er seinen Doktor in Seismologie ablegte, die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangte und schließlich an eine staatliche seismologische Station in der Nähe von Los Angeles berufen wurde. Hier lernte er, die äußerst komplizierten Erdbebenmessungen vorzunehmen, die Daten zu interpretieren und Vorhersagen zu treffen, wobei der Wissensstand in den ersten beiden Gebieten sehr viel höher entwickelt war als in dem letztgenannten.
Sein Beruf führte Giovanni Spada, einundvierzig Jahre alt, unter anderem auch in die kleine Stadt Palmer in Alaska, wo früher die Familie
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