Alaska
Vorbehalten, sehe ich vor dem Jahr 2030 nicht einen günstigen Augenblick, um einzuschreiten. Das sind immerhin fünfundvierzig Jahre, und es könnten gut mehr werden.«
»Was ist Ihre Meinung?«
»Erstens, Amerika wird bis dahin wahrscheinlich seine Macht behaupten. Zweitens, die Sojwetunion wird bis dahin noch nicht die Überlegenheit gewinnen, weder an Stärke noch moralischer Führung, um unser Vorhaben erfolgreich durchzuführen. Drittens, Alaska wird in derselben Anzahl von Jahren so weit zurückfallen, dass unser Vorhaben dem Land im Norden nur vernünftig und verlockend erscheinen wird. Und viertens, die übrige Welt braucht etwa genausolang, sich mit der Möglichkeit und der historischen Rechtfertigung unseres Vorhabens abzufinden.«
»Werden denn Ihre Untersuchungen, die Grundlage unseres Vorhabens, im Jahre 2030 noch umfangreicher und in ihrer Aussage noch schlagkräftiger sein?«
»Ich werde dann wohl nicht mehr unter den Lebenden weilen, aber wer immer auch mein Nachfolger wird, er hat bis dahin genug Gelegenheit, meine Studien weiterzuentwickeln.«
»Haben Sie schon einen Nachfolger im Kopf?«
»Nein.«
»Dann sollten Sie sich schnell einen suchen.«
»Dann sind Sie also gewillt - das heißt, Moskau hält das für ausreichend ...«
»Es ist von lebenswichtiger Bedeutung. Es brennt uns nicht gerade auf den Nägeln, aber wir wollen die Sache in Schwung halten. Genosse Petrovsky wird 2030 wohl noch leben, und wenn nicht, dann führt jemand anders die Arbeit fort.« Petrovsky schmunzelte und sagte: »Nehmen wir einmal an, ich wäre dann noch am Leben. Welche Gedankenstränge sollte ich Ihrer Meinung in der Zwischenzeit weiterverfolgen?«
Geduldig, langsam und mit großer Überzeugung legte Maxim Voronov seine Zukunftsvision einer Beziehung zwischen Alaska und der Sowjetunion dar, und während er sprach, wurde den Gästen aus Moskau klar, dass durch acht Generationen hindurch die Voronovs aus Irkutsk die Vorstellung nie aufgegeben hatten, dass die Aleuten und Alaska eigentlich ein angestammter Teil des russischen Reiches waren.
»Fangen wir mit der Tatsache an - wohlgemerkt Tatsache, nicht Vermutung-, dass Alaska aufgrund der drei geheiligten Rechte der Geschichte zu Russland gehört: Eroberung, Besetzung und die Einsetzung einer Regierungsgewalt. Und kraft der geographischen Lage, denn das Land war mindestens gleichermaßen ein Teil Asiens wie Nordamerikas. Und -aufgrund der Tatsache, dass wir dem Land eine eigenverantwortliche Verwaltung gegeben haben, als es in unserem Besitz war, während die Amerikaner nichts dergleichen taten, als sie die Macht übernahmen. Und schließlich das überzeugendste Argument: Wir haben bewiesen, dass wir in der Lage sind, unser Sibirien kreativ zu nutzen, während die Amerikaner in der Erschließung ihres nördlichsten Landesteils weit hinter uns herhinken.
In der Diskussion um Zukunftsmodelle haben die Amerikaner einen äußerst passenden Begriff aus der Theatersprache geprägt: das Szenario. Es bezeichnet die Beschreibung einer möglichen Abfolge von Ereignissen. Was wir benötigen, ist ein sowjetisches Szenario, wodurch wir Alaska zurückgewinnen, das uns rechtmäßig ohnehin zusteht, und dies erreichen, ohne eine internationale Krise heraufzubeschwören.«
»Kann es ein solches Szenario überhaupt geben?«, fragte Genosse Zelnikov, und Voronov versicherte seinen Zuhörern, dass es nicht nur eins geben könnte, sondern bereits ein ausgereifter Plan existiere, Alaska wieder dem Machtbereich Russlands einzuverleiben.
»Wir verfolgen sozusagen zwei Konzepte, einmal das historische Russland und zum zweiten die gegenwärtige Sowjetunion, und zwischen beiden gibt es keine Diskontinuität. Sie bilden eine moralische Einheit, und keiner befindet sich im Konflikt mit dem anderen. Das Wort › Russland ‹ werde ich verwenden, wenn ich von der Vergangenheit spreche, und › Sowjetunion ‹ , wenn von der Gegenwart oder der Zukunft die Rede ist. Unsere Aufgabe besteht darin, Alaska in den Schoß Russlands zurückzuführen, und der Mittler, dessen wir uns bedienen müssen, ist unsere Sowjetunion. Das Szenario ist einfach, die Regeln, nach denen es abläuft, sind unerbittlich.
Erstens: Wir dürfen unser Ziel in den kommenden Jahrzehnten niemals offenlegen, weder durch Worte noch durch Taten, noch durch beiläufig geäußerte Gedanken. Sollten die Vereinigten Staaten jemals von unserem Vorhaben erfahren, werden sie einschreiten, um das zu verhindern. Ich rede mit
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