Alba und Albion
Nacht war. Ich schämte mich so sehr vor den Anderen!
Er schien meine Gedanken lesen zu können und lachte leise.
„Es ist gut, mein Herz. Du brauchst dich nicht zu schämen. Warte mal ab bis morgen, da wirst du wieder einen herrlichen Brummschädel haben. Seamus und das Mädchen haben bestimmt nichts davon mitbekommen, ich glaube, sie schlafen.“
Jetzt wußte ich, warum er mich hierher geführt hatte. Er hatte mich vor den Blicken der Beiden bewahren wollen. Und wieder konnte ich in dieser Nacht wieder nur ein Wort hauchen.
„Danke.“
Dritter Teil
Schottland
31
Weites Land und wilde Tiere
„Wach auf, Susanna! Wach auf! Wir sind da!“
Irgendwer rüttelte an meiner Schulter und wollte nicht damit aufhören. Ich schimpfte Unverständliches und versuchte, den Störenfried abzuschütteln, doch das Rütteln ging weiter. Genervt öffnete ich die Augen und hob schläfrig den Kopf.
Ein strahlender Robbie lachte mich an und flüsterte: „Wir haben’s geschafft!“
„Wie? Was?“
Noch immer schlaftrunken blinzelte ich ihn an. Trotz der Kälte hatte ich tatsächlich tief und fest geschlafen, was anscheinend weniger an der wohligen Wärme von Alisa lag, die eng an mich gekuschelt schlief. Eher waren es die restlichen Auswirkungen des Alkohols, der noch in meinem Blut war.
„Wir sind in Schottland! Komm, steh auf!“ ,rief er leise und zog mich auf die Beine, warf den Umhang um meine Schultern und zog mich hinter sich her, heraus aus dem Wald und auf eine recht unebene und längliche Erhebung von etwa eineinhalb Meter Höhe, in deren Schatten wir unser kleines Lager aufgebaut hatten.
„Sieh dir mein Land an!“
Robbie drückte mich und seine Freude und Aufregung war spürbar. Mit geschlossenen Augen sog er tief die Luft ein. „Mmmmm. Was für ein Duft!“
Erstaunt blickte ich zu ihm auf und lächelte bei dem Anblick. Ein leichter Wind hob seine offenen schwarzen Haare in Strähnen empor und gähnend lehnte ich mich an ihn. Erst jetzt nahm mein Geist wahr, daß die Sonne gerade erst im Begriff war, aufzugehen und in der Entfernung krächzten bereits einige Krähen, während irgendwo ein paar Hunde heulten, wenn nicht sogar Wölfe, deren Rudel überall anzutreffen waren und uns zeitweise in sicherem Abstand begleiteten. Für mich waren das die schrecklichsten Momente im Wald, doch Robbie meinte beschwichtigend, daß sie erst angreifen würden, wenn sie überhaupt nichts mehr zu fressen fänden oder einer von uns zu schwach wäre, um die Reise fortzusetzen - was mich aber auch nicht mehr beruhigte.
Nun versprach ein wolkenloser Himmel etwas Wärme und ich hoffte auf einen schönen, sonnigen Wintertag. Neugierig sah ich mich um, erblickte aber nur eine verschneite Landschaft, die genauso aussah, wie die Felder hinter den weiten Wäldern in meinem Rücken.
„Das ist Schottland? Ich dachte, hier ist eine riesige Grenzmauer.“
Ich blickte nach rechts und links, konnte aber außer der Erhebung, auf der wir standen, nichts erkennen. Robbie hingegen war außer sich vor Freude und er strahlte über das ganze Gesicht.
„Du stehst direkt darauf.“
Ungläubig blickte ich zu Boden. „Das ist -?“
„Das ist der Hadrianswall, von dem ich dir erzählt habe“, unterbrach er mich ungeduldig. „Hier vor deiner Nase“, er stupfte mich an derselben und beschrieb mit einer ausladenden Handbewegung die Weite seines Landes, „beginnt Schottland! Komm!“
Stürmisch hob er mich hoch, daß ich erschrocken aufschrie, stieg den kleinen Hügel, der in einem sanften Abhang hinunter ging, wieder hinab und stellte mich auf die Füße.
„Wir werden gemeinsam den Boden meiner Väter betreten. Eins, zwei und - drei!“
Bei drei taten wir beide gleichzeitig kichernd einen großen Schritt und ehrfürchtig stand ich an seiner Seite. Um nicht zu fallen, hielt ich mich an seinem Ärmel fest.
„Ich dachte, der Hadernw-, der Heinrichswall ist eine -“
„Der Hadrianswall.“
„Ja, genau. Ich dachte, es sei eine große Mauer von enormen Ausmaß.“
„Das war sie auch.“
Er scharrte mit den Stiefeln den Schnee zur Seite und tatsächlich konnte ich Steine entdecken. Quadratische, längliche und es war unbestreitbar eine Mauer.
„Früher, vor über tausend Jahren muß sie gigantisch gewesen sein! Die ganze Breite des Landes nahm sie ein und war fast zehn Meter dick! Daß die Mauer nun nicht mehr komplett steht, ist zum Teil auch den umliegenden Bauern zu verdanken. Sie verwenden die Steine für Ihre Häuser und
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