Alba und Albion
Mädel. Deinetwegen sitzen wir jetzt hier. In Freiheit. Wenn du das nicht getan hättest, dann -“
Ich schluckte und er hatte recht. Während wir uns unbekümmert miteinander vergnügten, hatte sich Alisa für uns geopfert und wir hielten sie für eine Verräterin! Auch Seamus mied den Blickkontakt zu uns.
Inzwischen hatte sich Alisa wieder beruhigt, trocknete ihre Tränen.
„Ich habe es gern getan und ich würde es wieder tun.“ Sie blickte Seamus eisig an. „Aber nicht für jeden.“
„Aber warum hat mir deine Tante nicht gesagt, wo du bist? Sie sagte nur ganz brummig: Sie is’ weggelaufen.“
Ich versuchte so gut wie möglich, ihren Tonfall nachzuahmen, was Alisa zum Kichern brachte. „Sie wollte mich genauso schützen wie euch, verstehst du?“
„Nein! Das verstehe ich nicht!“
„Wenn ihr gewußt hättet, was passiert ist und wo ich mich befand, hätte Mister MacDonald“, schüchtern blickte sie in seine Richtung, „vermutlich sofort versucht, mich herauszuholen, was aber dann bedeutet hätte, daß er -“ Sie brach ab und beide schluckten wir schwer.
„Er wäre schnurstraks in die Arme der Dragoner gerannt“, ergänzte Seamus den Satz und nickte ihr anerkennend zu. „Mädel, du hast Mumm!“
„Ja. Das hätte er wahrscheinlich getan.“ Ergriffen von ihrer Tat flüsterte ich: „Danke, Alisa. Meine Schwester.“
Freudig lächelte sie mich an und schniefte. „Wirklich?“
Ich drückte ihre Hand und nickte, blickte schließlich giftig zu den Männern am Feuer. „Jetzt seid ihr dran.“
Verlegen standen sie auf, traten zu uns und sprachen wie aus einem Mund: „Kannst du mir verzeihen?“
Verdutzt sahen wir vier uns an und brachen gleichzeitig in ein Gelächter aus, bis nun auch uns die Tränen im Gesicht standen und das Eis schien gebrochen.
Als wir uns beruhigt hatten, sprach Alisa ganz leise: „Aye, bei so guten Freunden ist das kein Problem.“
Die Nacht breitete sich weiter aus und Robbie reichte schweigend eine Feldflasche herum, die stärksten Whisky enthielt. Während ich nur vornehm daran nippte, nahm Alisa erstaunlicherweise einen großen Schluck. Lächelnd blickte sie mich an und ich erkannte ihre glasigen Augen.
„Der Whisky“, sagte sie entschuldigend und mit heiserer Stimme.
Schnell reichte sie die Flasche an Seamus weiter. Auch er hielt sich nicht zurück und nahm eine große Menge davon zu sich, wischte sich mit dem Handrücken über den Bart, rülpste vernehmlich und stupste mich mit der Flasche an.
„Hier Mädel, trink mal einen kräftigen Schluck. Es wird dich aufwärmen.“
Erneut hielt er mir mit einem aufmunternden Grinsen die Flasche hin, doch ich winkte ab. „Nein, danke. Ich mag das Zeug nicht.“
Über das Feuer hinweg sah ich Robbie, wie er in sich hinein grinste.
„Schlechte Erinnerungen, wie?“
Zähneklappernd rieb ich meine Hände über dem Feuer und sah ihn grimmig an. „Du kannst aufhören, dich über mich lustig zu machen.“
„Ich mache mich nicht über dich lustig. Mir ist nur eingefallen, wie mich Seamus vor nicht allzu langer Zeit davon in Kenntnis gesetzt hat, daß du keinen Alkohol verträgst. Und nun drängt er ihn dir regelrecht auf.“
Finster blickte ich erst zu ihm, dann zu Seamus, der inzwischen in seine Decke hinein lachte. Auch Robbies Schultern zuckten verräterisch.
„Da hast du allerdings recht.“
Ich riß dem verdutzten Seamus die Flasche aus der Hand, die er gerade wieder ansetzten wollte. Mit einem triumphierenden Blick in die Runde setzte ich an und trank einen Schluck, und noch einen. Die Flüssigkeit brannte wie Feuer in meiner Kehle und trieb auch mir die Tränen in die Augen, aber ich trank tapfer weiter.
Inzwischen war Robbie zu mir getreten und versuchte die Flasche zu greifen. Schnell drehte ich mich um. Alisa betrachtete diese Szenerie mit großen Augen, sagte jedoch nichts. Stattdessen schob sie ihren Umhang nur noch enger um sich und blickte schließlich weg.
„Gib mir die Flasche, Liebes. Dir wird nur schlecht davon.“
Wieder versuchte er, über mich hinweg die Flasche zu greifen. Doch ich hielt sie in die Höhe, damit er sie nicht erreichen konnte.
„Nein! Ständig weißt du alles besser. Ich bin kein Kleinkind. Ich weiß selbst, ob es für mich gut ist oder nicht. Und Alisa ist viel jünger als ich und hat auch einen großen Schluck genommen.“ Schnell blickte ich in ihre Richtung. „Und sie sitzt noch gerade.“
„Weil sie es gewöhnt ist.“ Wieder versuchte Robbie sein Glück.
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