Alba und Albion
Lippen.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ich kenne diesen sehnsüchtigen Blick.“ Flüsternd beugte sie sich zu mir. „Wer ist es?“
„Niemand.“
Ich nickte einigen Herren zu, die mit ihren Damen an uns vorbeizogen.
„Ach komm’ schon, sag es mir! Ich will es wissen!“ Ich wußte, gleich würde sie zornig aufstampfen.
„Nein.“
Von meiner eigenen Antwort überrascht, riß ich die Augen auf. Was war nur los mit mir? Selbst wenn ich es ihr sagen könnte, so wollte ich dieses Erlebnis für mich behalten.
Ungläubig starrte Ann mich an. „Susanna. Was ist denn mit dir los? Du hast doch sonst keine Geheimnisse vor mir.“
„Ich werde nichts darüber sagen. Bitte bedränge mich nicht weiter.“
Schmollend zog sie sich zurück, nachdem sie mir einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte. Doch ich nahm dies in Kauf, obwohl ich nicht wußte, warum ich so reagiert hatte. Plötzlich fiel mir ihr Geständnis über den „schwarzen Hengst“ ein und ein giftiger Stachel breitete sich in meiner Brust aus.
War ich etwa eifersüchtig?
Nach einiger Zeit löste sich die Gesellschaft langsam auf. Die Gäste, die die Nacht auf Taylorgate verbrachten, zogen sich leise zurück, während die Anderen lautstark den Heimweg antraten. Es war viel Wein und Sekt verköstigt worden, was man an den mehr oder weniger schwankenden Personen erkennen konnte. Selbst der eine oder andere Diener lief nicht mehr in einer geraden Bahn.
Jetzt hat Robbie bestimmt viel zu tun, dachte ich, als ich die vielen Kutschen mit ihren Pferden erblickte, die sich vor dem Eingang gegenseitig bedrängten. Ich erschrak bei dem Gedanken, weil ich gerade jetzt an ihn dachte.
Tapfer lächelte ich, stand neben meinem Vater am Eingang und verabschiedete gemeinsam mit Mutter und Doreen die Mitglieder des englischen Hochadels und Geldadels, die Milleroys, Hiltons, Sinclairs und die vielen anderen, die ich zum Teil nicht kannte. Jeder bekam zum Abschied einen eleganten Knicks und mir wurde von den Herren jeweils ein Handkuß überreicht. Vom vielen Lächeln spürte ich eine leichte Verkrampfung im Gesicht und nach einer weiteren Stunde schien es endlich geschafft.
Die letzte Kutsche verließ das Grundstück und es kehrte eine erholsame Ruhe ein. Von der plötzlichen Stille klingelten meine Ohren und die Beine taten weh.
Auch die Musiker packten ihre Instrumente wieder ein und begaben sich auf den Heimweg. Im großen Saal machten sich bereits einige der Mädchen daran, wieder alles in Ordnung zu bringen. Die geplünderten Silbertabletts wurden wieder in die Küche getragen und in einem schier endlosen Hin und Her war bald der ganze Saal wie leer gefegt.
Eine Katze strich um meine Beine. Ich hob sie hoch und legte meine Wange an ihren Kopf, daß sie sofort zu schnurren begann.
„Gottlob, es ist geschafft“, stöhnte ich und wir gingen ins Haus zurück.
Mutter trat hinter mich und zog mich an ihre Schulter.
„Du siehst erschöpft aus, mein Kind. Es ist vielleicht auch für dich besser, wenn du sofort zu Bett gehst.“ Sie drehte meinen Kopf zu sich und hob mein Kinn. „Morgen werden wir bereits wieder Besuch empfangen. Da müssen wir wieder frisch aussehen.“
Wir oder nur ich, dachte ich grimmig. „Wer kommt denn?“
Genüsslich gähnte ich, ohne mir die Hand vor den Mund zu halten, was mir einen mißbilligenden Blick von Mutter einhandelte, konnte sie es doch nicht leiden, wenn ich mich so gehen ließ, sagte aber nichts.
„Es sind die Millers. Du kennst die Familie. Sie werden morgen Nachmittag erwartet.“
Oh ja, ich kannte diese Familie. Auch sie war steinreich. Und sie hatten einen Sohn, etwas älter als ich, unverheiratet und eigentlich - wie ich fand - gutaussehend. Ich wusste genau, warum sie nicht zum Fest erschienen sind. Da hätte ich ihrem Sohn nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken können. Wenn wir uns begegnen sollten, dann besser in einer ruhigen Atmosphäre.
Ich sah meine Mutter giftig an. „Muß denn das sein?“
„Du kennst doch Stephen sehr gut und ihr habt euch stets gut verstanden. Ich weiß gar nicht, warum du dich plötzlich so aufregst.“ Sie gab mir einen Kuß auf die Stirn. „Nun geh‘ ins Bett und schlaf’ dich aus. Morgen sehen wir weiter.“
Was nichts weiter hieß, als daß das Thema erledigt war. Ich gab Mamma einen Kuß und schnurstracks ging ich in mein Zimmer, nachdem ich das Kätzchen vor der Tür wieder absetzte.
Mary hatte inzwischen alles für die Nacht vorbereitet, die Bettdecke
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