Alba und Albion
zu schmelzen begann, entzog ich ihm langsam meine Hand, die inzwischen locker unter der Seinen auf seinem kräftigen Oberschenkel lag. Diese Situation erschien mir äußerst gefährlich.
„Keine Bange, ich kenne den Lord. Er wird sich sehr schnell verabschieden, sobald du wieder im Haus bist“, grinste er mich an. „Das ist nicht das erste Mal gewesen, dass er sich so benommen hat.“
Er machte eine kurze Pause und sah mich fragend an, daß seine perfekten weißen Zähne verführerisch aufblitzten.
„Wie viel hat er eigentlich heute abend getrunken?“
Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff, was er eigentlich damit meinte. Es war mir bereits zu Ohren gekommen, daß es bei einigen Gentlemen gewissermaßen als Freizeitbeschäftigung galt, so viele Frauen wie möglich zu erobern. Auch die, die man zu ihrem Glück zwingen mußte.
„Soll das etwa heißen - Oh!“
Meine romantische Stimmung war schlagartig dahin. Am liebsten hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben, aber als ich zornig die Hand hob, hielt er blitzschnell mein Gelenk fest. Ich zischte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Wenn du weißt, daß er so etwas öfters probiert. Heißt das - Oh!“
Langsam stand er auf und half auch mir hoch.
„Ja genau, das soll es heißen. Normalerweise halte ich mich aus seinen Angelegenheiten heraus, aber nachdem du ihn gebeten hast, von dieser, wie hast du es genannt, Vorstellung? abzusehen, hielt ich es für besser, einzuschreiten. Obwohl ich sagen muß, soviel Courage wie du hat bisher noch Keine gehabt.“ Ich wußte, er meinte den Biß. „Die meisten Damen haben es am Ende doch genossen.“
Ich sah ihn entgeistert an. „Du hast uns beobachtet!“, rief ich empört.
„Ja sicher. Sonst hätte ich doch nicht einschreiten können“, antwortete er mit einer Logik, die mich fast platzen ließ. Er sah es und ging sicherheitshalber auf Abstand.
„Aber jetzt beruhige dich wieder. Soviel ich sehe, wurde dir nicht ein Haar gekrümmt.“
Nun war das Maß aber voll. Ich baute mich so nah wie möglich vor ihm auf und preßte die Fäuste in die Taille.
„Mister Robert, wie auch immer! Wissen Sie eigentlich, was Sie hier sagen? Sie verfolgen mich, wohin ich auch gehe. Sie beobachten mein Rendezvous und wer weiß was noch alles! Ich möchte Sie bitten, in Zukunft -“
Weiter kam ich nicht. Er nahm mich in die Arme und küsste mich. Erschrocken sah ich ihn an und blickte in seine geschlossenen Augen. Seine Zunge öffnete mir sanft den Mund und ich schmeckte seinen Atem, der sich süß mit dem Meinen vermischte. Seine Lippen waren weich, wie ich erstaunt feststellte. Ich atmete den Duft seiner Haut ein und meinte, noch nie etwas so köstliches wie Kernseife gerochen zu haben. Er duftete herrlich.
Ohne nachzudenken, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und legte meine Arme um seinen Hals, zog seinen Kopf zu mir herunter und streichelte zärtlich seinen Nacken. Ich gab mich ihm vollkommen hin, bis meine Beine ihren Dienst versagten. Bevor ich jedoch zusammensackte, hielt er mich noch fester in seinen starken Armen. Ich begann zu schweben.
Die Zeit hatte ich nicht mehr unter Kontrolle, aber als er mich wieder los ließ, stolperte ich verlegen ein paar Schritte nach hinten und sah ihn an. Auch er blickte verlegen.
„Guter Gott“, flüsterte ich schockiert, während ich mir über den Mund strich. „Was haben wir getan?“
„Wir haben uns geküsst.“ Auch er flüsterte und trat einen Schritt auf mich zu.
Ich wich zurück.
„Bitte tun Sie das nie wieder.“
Ein letztes Mal blickte ich zu ihm auf und ging rasch zum Haus zurück.
Der Rest des Abends war eine Qual für mich, da ich die Situation im Garten nicht aus meinem Gedächtnis verbannen konnte. Noch immer schmeckte ich seinen Atem, was mir den Meinen zu nehmen schien. Erst der Lord und dann sein Stallknecht, und das an einem Abend!
Eigentlich sollte ich wütend sein, doch das Flattern in der Brust hinderte mich daran. Wurde ich angesprochen oder zum Tanz aufgefordert, zuckte ich zusammen. Ich bemühte mich, wieder ein strahlendes Gesicht zu machen. Anscheinend gelang mir das ganz gut, denn niemand bemerkte eine Veränderung in meinem Verhalten.
Nur Ann machte eine kurze Bemerkung, als sie aus dem Nichts neben mir stand.
„Soll ich dir mal was sagen?“ Sie studierte intensiv mein Gesicht. „Ich glaube, du hattest gerade eben ein Rendezvous im Garten.”
Erschrocken blickte ich zurück und fuhr mir unbewußt mit der Zunge über die
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