Alba und Albion
Ich weiß.“
Enttäuscht blickte ich in die Runde. Ich überlegte, was ich als Nächstes tun sollte und strich mir fahrig das Haar aus der Stirn.
„Hat er gesagt, wohin er heute noch wollte? Er wird doch nicht die Nacht hindurchreiten wollen?“
Es sollte heiter klingen und ich versuchte ein Lachen, doch meine Stimme brach. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an die Holzwand einer Box und sandte ein stummes Stoßgebet gen Himmel.
„Bitte, lieber Gott. Laß ihn noch nicht weg sein!“
„Doch, das hat er gesagt“, mischte sich ein Anderer ein und die neugierigen Blicke der Männer klebten an mir. Was interessierte es mich, was ein Stallbursche trieb? Und was tat ich hier in der Nacht?
Ohne eine weitere Erklärung rannte ich wieder zu meinem Pferd und saß auf. Zu Tode betrübt und mit tränennassem Gesicht versuchte ich, geräuschlos aus dem Gut zu reiten. Wenn ich Glück hatte, konnte ich wieder unbemerkt in mein Zimmer gelangen. Schwer schluckend blickte in den wolkenverhangenen Nachthimmel, der die Dunkelheit nur noch verstärkte und langsam trabte mein Pferd den Weg entlang.
„Susanna.“
Erschrocken drehte ich mich im Sattel um, konnte aber niemand entdecken. Doch ich erkannte die Stimme und meine Trauer verflog innerhalb von wenigen Sekunden. Schnell wischte ich die Tränen fort.
„Robbie“, rief ich leise. „Wo bist du?“
„Hier drüben.“ Die Stimme kam von rechts aus der undurchdringlichen Dunkelheit. Hastig stieg ich ab.
Wenn Vater mich hier erwischt, bin ich erledigt, dachte ich, als ich den Sattel betrachtete, den ich eigentlich nicht benutzen durfte. Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken daran zu verscheuchen.
Plötzlich legte sich eine Hand auf meinen Mund und gleichzeitig um meine Taille. Das konnte nur mein Robbie sein und so wehrte ich mich nicht. Schnell zog er mich hinter die Bäume und drehte mich um. Hektisch küßte er mir das Gesicht und preßte mich an sich.
„Was zum Teufel tust du hier?”, flüsterte er halb im Ernst und halb lachend.
„Ich kann dich nicht gehen lassen. Mary hat mir alles erzählt.“ Ich machte eine kurze Pause und strich ihm mit der Hand über sein Gesicht. „Alles.“
Es war nur ein Hauch und ich hörte ihn seufzen. Stürmisch tasteten wir uns gegenseitig ab, voller Angst, daß der Andere vielleicht nicht real sein und die Dunkelheit ihn schlucken könnte. Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen, hob erneut die Hand und strich über sein inzwischen stoppeliges Gesicht.
„Ich laß dich nicht mehr los.“
Sanft küßte er mich auf die Stirn. „Susanna. Liebste. Du mußt wieder zurückgehen. Mein Leben ist nichts für dich. Es ist zu gefährlich.“
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und streichelte es mit den Daumen. „Außerdem würden sie dich nie so einfach gehen lassen. Du bist verlobt mit einem einflußreichen Mann, deine Familie ist ebenfalls einflußreich genug, um dich im ganzen Land suchen zu lassen.“
Trotz unserer Situation lachte er leise, als ob ihm etwas eingefallen wäre.
„Bei uns gibt es ein Sprichwort, es lautet: Fear gu aois, is bean gu bàs - das bedeutet soviel wie: Ein Sohn ist ein Sohn bis er alt genug ist, aber eine Tochter bleibt eine Tochter.“
Ich verstand nicht ganz, was er damit sagen wollte. Anscheinend spürte er es und setzte erneut zum Sprechen an.
„Niemals werden sie dich einfach so gehen lassen! Sie werden dich suchen und wenn sie dich bei mir finden -“ Robbie drückte mich noch fester, daß mir die Luft weg blieb. Dann ließ er mich los und drehte sich ab. „Es geht einfach nicht. Geh’ wieder nach Hause.“
Er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstand. „Ich werde es auch tun.“
„Nein. Das kann ich nicht. Ich kann nicht zurück!“ Mein Hals war wie zugeschnürt. „Wenn du mich nicht liebst, dann sag’ es mir ins Gesicht!“
Sein Rücken versteifte sich und er ballte die Hände zur Faust. Ruckartig drehte er sich zu mir, hielt mich an den Schultern und sagte mit fester Stimme: „Ich liebe dich nicht.“
Es tat weh, was er da aussprach und verletzt von seinen Worten schloß ich die Augen. Doch so leicht gab ich nicht auf.
„Ist das wahr?“ Meine Stimme klang nun genauso fest und ich konnte seine Traurigkeit fast greifen. Wieder ließ er mich los und wandte sich ab.
„Nein.“
Mein Herz machte einen Sprung. Ja, ich wußte es! Langsam trat ich zu ihm, berührte seinen Arm.
„Dann nimm’ mich mit dir! Ich meine es Ernst und ich habe es mir gründlich
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