Alba und Albion
Bewegungslosigkeit verdammt wurde.
Ein massiger, großer Kerl mit verfilztem Bart, noch dreckigerer Kleidung und roten Haaren, wie ich es noch nie gesehen hatte, trat auf mich zu.
„Ei, was haben wir denn da?“
Seine tiefe, brummige Stimme wäre in einer anderen Situation beruhigend gewesen. Doch nun fühlte ich meine Kampfeslust wieder. Er sah mein Gesicht von allen Seiten an, das er am Kinn festhielt, befühlte den Stoff meines Kleides und wog meinen Busen.
„Wenn das nicht nach 100 Pfund Sterling schreit.“
„Hier schreit gleich ganz was anderes, wenn Sie nicht sofort Ihre dreckigen Pfoten von mir nehmen!“ Ich blitzte ihn böse an, was in der Runde ein wieherndes Gelächter auslöste.
„Sieh’ an, eine Wildkatze.“
Er drehte mich zu seinen Kumpanen und stieß mich in ihre Richtung, die allesamt genauso finster aussahen.
„Sie faucht, paßt auf! Vielleicht kratzt sie auch.“
Meine Hände wurden auf dem Rücken mit einem Stück Tuch gefesselt, aus dem ich mich nicht herauswinden konnte. Meine Befreiungsversuche und die dazugehörigen Wutausbrüche erheiterten die Männer dermaßen, daß sie darauf wetteten, ob ich es schaffen würde, von selbst aus den Fesseln zu gelangen und wenn ja, wem ich als Erstes den Garaus machen würde.
Lord Peter und die Kutsche wurden nach Wertsachen durchsucht, die einige Goldmünzen, verschiedene wertvoll aussehende Knöpfe, einige Flaschen vom feinsten Burgunderwein und sonstige nützliche Dinge einbrachte. Der Lord mußte sich von seinem versilberten Gehstock verabschieden, seine Ringe wurden ihm grob abgezogen, was er schweigend über sich ergehen ließ und da die Räuber anscheinend alles gebrauchen konnten, nahmen sie sogar die weißen Vorhänge an den Kutschfenstern ab und falteten sie sorgfältig zusammen.
Zur Belustigung aller setzte einer der Banditen dem armen Lord den Nachttopf auf und trat ihm mit dem Fuß in den Allerwertesten. Da der Topf über seinen Augen hing und er somit blind war, torkelte er wie besoffen hin und her, um letztendlich mit voller Wucht gegen einen Baum zu knallen, was ein lautes Gegröle der Augenzeugen mit sich zog. Ich konnte ihn zwar nicht leiden, empfand aber in diesem Augenblick etwas wie Mitleid, obwohl auch ich unwillkürlich kichern mußte.
Dann durfte er wieder einsteigen. Zwei der Männer schlugen den Pferden gleichzeitig hart auf die Kruppe und wie von der Tarantel gestochen, rannten sie los.
„Halt! Nehmt mich doch mit!“
Entsetzt starrte ich in die Staubwolke, die die immer kleiner werdende Kutsche verschluckte und mit hängenden Schultern blickte ich ihr hinterher. Was sollte jetzt mit mir geschehen? Was wollten die verdammten Verbrecher von mir?
Ängstlich sah ich in die Runde. Ich hatte schon einige schreckliche Dinge gehört, die sie armen hilflosen Damen antaten und ich schluckte. Erst jetzt wurde mir bewusßt, das mir etwa zwanzig dieser Ganoven gegenüber standen.
Einige Haarsträhnen hatten sich gelöst und genervt schüttelte ich sie mir aus dem Gesicht, reckte das Kinn und wandte mich an den Kerl, der mich so frech betatscht hatte.
„Was haben Sie nun mit mir vor?“
„Nichts.“
„Dann nehmen Sie endlich diese verfluchte Fessel ab und lassen Sie mich gehen, verdammtnochmal!“
Wütend schrie und stampfte ich auf, worauf das Gejohle von vorne anfing. Zornig trat ich vor den rothaarigen Anführer der Bande und spukte ihm ins Gesicht. Augenblicklich verstummte das Gelächter. Er wischte sich sein Gesicht, wandte sich ab und ängstlich um mich blickend erwartete ich nun das Schlimmste.
Mit einem riesigen Messer und ebenso riesigen Schritten kam der muskelbepackte Riese zu mir zurück und sein roter verfilzter Vollbart zitterte. Entsetzt wich ich zurück und stieß gegen einen der Männer, der mich an den Schultern festhielt.
„Keine Angst, Mädel. Dir passiert nichts.“
Irgendwie hatte ich das Gefühl, diesen Dialekt schon einmal gehört zu haben und mit einem schnellen Schnitt waren meine Hände frei und ich rieb mir erstaunt die schmerzenden Handgelenke.
„Danke.“
Gemächlich schnappte sich jeder einen Teil der Beute und machte sich auf den Weg zurück in den Wald, weg von der Straße. Mich beachtete niemand mehr, doch ich hielt es für das Beste, in ihrer Nähe zu bleiben, als alleine in dieser Einsamkeit auszuharren. Die Angst vor Wölfen war größer als vor diesen finsteren Gestalten und ich stolperte kurzentschlossen hinter ihnen her. An einer kleinen Lichtung brannte bereits ein
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