Alba und Albion
Hochzeit hinfällig gewesen.“ Er wedelte mit seiner Hand in der Luft. „Der Skandal. Sie verstehen?“
Er wollte mich aus der Reserve locken und reizte mich deshalb, doch ich war auf der Hut. Mein Blutdruck stieg enorm vor Zorn und ich zwang mich zur Gelassenheit. Konnte er denn nicht endlich den Mund halten! „Sie müssen es ja wissen“, antwortete ich abweisend und starrte weiter aus dem kleinen Fenster hinaus.
„Es war nicht Ihr Vater, der Sie suchen ließ“, platzte er heraus.
„Wer dann?“, fragte ich mechanisch. Auf den Feldern sah ich das Vieh weiden und gerade überholten wir eine kleine Gruppe von lumpigen Kindern mit ihrem Federvieh.
„Ich war es.“
Erstaunt drehte ich den Kopf in seine Richtung. „Sie? Warum denn das?“
„Erstens, als Revanche für die angebrochenen Rippen, die mir dieser Wilde zugefügt hat und Zweitens“, geziert tupfte er sich den Mund mit seinem Taschentuch, „zweitens, weil ich um Ihre Hand anhalten werde, sobald Sie wieder bei den Ihren sind.“
Verächtlich blickte ich ihn an. „Das können Sie versuchen, aber meine Antwort lautet: Nein.“
„Da wird Ihr werter Herr Vater aber anderer Meinung sein. Denken Sie, Sie bekommen noch einen Ehemann, nachdem, was Ihnen alles passiert ist?“
„Was meinen Sie damit?“
Schlagartig wußte ich, was er damit meinte. Wie ein Fenster, das sich öffnete, kam die Erkenntnis. Die Entführung aus dem eigenen Bett heraus, die angeblichen Vergewaltigungen, die ich erleiden mußte, die Schmach, die meiner Familie widerfahren war. Sollte ich seinen Antrag wirklich ablehnen, so blieb mir nur noch ein Leben in Schande oder im Kloster. Eine Heirat konnte ich mir dann aus dem Kopf schlagen, mich würden kein Mann mehr ansehen und ich wäre aus der Gesellschaft ausgestoßen. Böse blitzte ich ihn an.
„Sie können mich nicht erpressen.“
Das entlockte ihm nur ein triumphierendes Schmunzeln.
„Wir werden sehen, schöne Susanna, wir werden sehen.“
So holperten wir über die Wege, die teilweise garkeine waren und zurück nach Taylorgate, wohin ich nicht wollte. Der Abend kündigte sich in einem brennendroten Wolkenhimmel an und wir stiegen schließlich in einer Poststation ab. Nachdem wir gespeist hatten, geleitete er mich in meine Räume und obwohl ich ihn dafür haßte, daß er mich von Robbie getrennt hatte, war ich doch dankbar für den Luxus, den ich hier vorfand. Heißes Wasser, Seife mit Veilchenduft, frische Kleider und ein richtiges Federbett!
Am nächsten Morgen erwachte ich zwar ziemlich mürrisch, doch als ich frisch gewaschen und duftend in die Kutsche stieg, fühlte ich mich besser. Den ganzen Vormittag kutschierten wir schweigend den Weg zurück, den ich gemeinsam mit Robbie mühsam zu Fuß und zu Pferd bezwungen hatte. Ich versuchte, nicht so viel an ihn zu denken, denn meine Tränen wollte ich nur für mich haben. Niemand sollte meinen Schmerz sehen.
„Hoooo.“
Seltsamerweise hielt die Kutsche mitten im Wald an und mir schwante Böses. War das einer dieser gefürchteten Überfälle?
Erschrocken drückte ich mich in meinen Sitz und starrte Lord Peter an. Er starrte genauso entsetzt zurück, griff dann geistesgegenwärtig unter seinen Sitz, zog einen Nachttopf mit Deckel hervor, den jede Kutsche mit sich führen sollte und starrte zuerst ihn, dann mich verblüfft an. Bei diesem Anblick hätte ich beinahe gelacht und hielt mir die Hand vor den Mund. Noch einmal wühlte er unter dem Sitz herum und zog dann eine Pistole von ungeheuerem Ausmaß hervor.
Wieder starrte er in meine Richtung.
„Haben Sie Schießpulver?“
Ich hatte natürlich keins. Stattdessen verfiel ich in ein solch’ hysterisches Lachen und zeigte mit dem Finger auf die Pistole, daß mir der Bauch weh tat. Erzürnt fauchte er mich an.
„So reißen Sie sich doch zusammen. Bewahren Sie Ihre Contenance. Wir befinden uns in einer Notlage!“
Da war aber nichts mehr zu machen. Als die Kutschentür geöffnet wurde und uns ein paar dunkle Gestalten mit langen Messern und einer Pistole zum Aussteigen zwangen, lachte ich noch immer so heftig und mir quollen die Tränen aus den Augen, worauf uns einige der Wegelagerer verunsichert anschauten. Anscheinend passierte es eher selten, daß die Überfallenen in einen Lachkrampf verfielen.
Lord Peter, inzwischen auf dem Rücken gefesselt, stand seinerseits Todesängste aus, was man ihm auch ansah, während der Kutscher von einem der Räuber ebenfalls durch ein Messer am Hals zur
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