Alba und Albion
Tagesanbruch nach und nach verabschiedeten, bis sich nur noch der rote Riese, Robbie und ich in der Lichtung aufhielten.
Sanft weckte er mich und ich setzte mich verschlafen auf. Gnädig ließ er mir noch ein paar Minuten, mich am Bach frisch zu machen und als ich zum Lager zurück kam, hatte er unsere spärlichen Habseligkeiten reisefertig verpackt.
„Wo sind die Anderen?“ Von deren Aufbruch hatte ich nichts mitbekommen.
„Sie sind wieder an ihrer Arbeit.“ Robbie grinste und ich fand seinen dunklen Bart sehr verführerisch. Verliebt blickte ich ihn an. Im Moment waren wir alleine. Ich trat auf ihn zu und legte meine Arme um seinen Hals. Seit unserem Wiedersehen hatten wir keine Möglichkeit für Zärtlichkeiten gefunden.
„Was denn für Arbeit?“ Leise schnurrte ich ihm ins Ohr, während er seine eiskalte Wange an der Meinen rieb.
„Schmuggel.“
„Jetzt? Am Tag?“
„Was der Eine in der Nacht tut, macht der Andere am Tag.“ Leicht knabberte er an meinem Ohr, was mich erschaudern ließ.
„Ich bin froh, wieder bei dir zu sein, mein geliebter Mann.“
Seine Liebkosungen an meinem Ohr machten mich leicht schwindelig und ich empfand die morgendliche Kälte nicht mehr als unangenehm.
„Das will ich auch hoffen.“ Er drückte mir laut schmatzend einen deftigen Kuß auf dem Mund und machte sich wieder ans Zusammenpacken. Während ich auf einem Baumstumpf saß und ihm dabei zusah, steckte ich mir die Haare hoch und hielt die Klammern zwischen den Zähnen fest.
„Hast du das Ernst gemeint? Daß sie jetzt zum Schmuggeln gehen?“
Ich stellte mir das ziemlich romantisch vor.
Er lachte. „Nein. Tagsüber verstecken sie sich irgendwo im Wald. Wo genau, weiß ich aber auch nicht, ich vermute mal, sie haben eine Höhle in der Nähe, wo sie den Tag über ausharren. Und in der Nacht kommen sie wie die Mäuse heraus und schmuggeln, was das Zeug hält.“
Ich sah ihn zweifelnd an und legte meine Hände auf die Hüfte. „Das meinst du doch nicht wirklich?“
„Doch, Mädel. Das stimmt.“ Der rote Riese kam aus dem Gebüsch und zog ein bereits gesatteltes Pferd hinter sich her. Wie machten sie das nur, immer etwas geeignetes zum Stehlen zu finden?
„Ich war monatelang dabei. Doch nun habe ich genug davon und möchte wieder nach Hause.“
Mit seiner brummigen Stimme grinste er mich von oben herab an und bot mir seine Hand, damit ich aufsitzen konnte. „Mein Weib kann es nicht leiden, wenn ich zu lange fort bin.“
Mit einem Blick zu Robbie, der mir aufmunternd zunickte, saß ich auf.
„Robbie, wie kam es eigentlich, daß mitten in der Nacht Soldaten in unserem Zimmer standen, wo uns doch eigentlich niemand kannte?“
Er und der Riese, Seamus mit Namen, gingen Seite an Seite vor dem Pferd, auf dem ich saß.
Die Luft war noch immer sehr kalt und die Natur sah aus, als wäre sie mit Zuckerguß bestreut. Aber das war eisiger Frost, gespickt mit kaltem Wind, der uns von hinten antrieb. Durch die dicke Wolldecke, die ich um Kopf und Schultern gezogen hatte, kam der Wind glücklicherweise nicht durch.
Robbie pfiff ein Lied nach dem Anderen, während unser Begleiter stumm wie ein Fisch und mit gesenktem Kopf dahinstapfte. Zeitweise ließ er ein mißbilligendes Grummeln hören, wenn Robbie auch noch ziemlich falsch zu singen anfing.
Nun fiel ihm meine Frage wieder ein und er nickte.
„Aye. Ich vermute, dieser Mann, mit dem ich mich in der Schenke getroffen habe, wurde von Lord Peter als Spion angeheuert. Ist ihm allerdings nicht besonders gut bekommen.“
Ich horchte auf. „Wieso denn das?“
Er hob die Schultern und blickte sich teilnahmslos in der weißen Gegend um.
„Ich hab ihn umgebracht.“
„Robbie!“ Entsetzt hielt ich mir die Hand vor mein Herz. „Sag, daß das nicht wahr ist!“
Er blieb kurz stehen, um auf gleicher Höhe wie das Pferd zu sein. Sanft tätschelte er meinen Schuh, der im Steigbügel lag.
„Nun, ich hab nur indirekt etwas damit zu tun.“
„Wirklich? Erzähl’ es mir!“, forderte ich ihn neugierig auf.
Nachdem ich dazu genötigt worden war, unser gemeinsames warmes Bett zu verlassen, hatte Robbie nur den einen Gedanken: Wer hatte damit zu tun? Wer hatte uns die Soldaten auf den Hals gehetzt? Nach reiflichem Überlegen kam er zu dem Schluß, es konnte nur der Mann in der Schenke gewesen sein.
Robbie suchte mitten in der Nacht den ganzen Hafen nach ihm ab, schritt durch jede Taverne, die noch geöffnet hatte, blickte in jedes Bordell und beschrieb den Mann
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