Alba und Albion
nur, wenn er tatsächlich einige Tage weg blieb?
Dann würde ich eben warten.
Und wenn er überhaupt nicht mehr käme?
Wenn er genauso wie Robbie geschnappt worden war oder getötet?
Was, wenn Robbie tot war?
Ruckartig stand ich auf, wobei ich mir schmerzhaft den Kopf am Fensterbalken anschlug und heftig rieb ich mir den Kopf, während sich der Knoten im Hals etwas enger zog. Unruhig wie ein Tiger im Käfig lief ich in der kleinen Stube auf und ab, während der Holzboden hörbar knarrend mitlitt. Das Hochgefühl vom Vormittag hatte sich nun endgültig verflüchtigt. Nagelbeißend malte ich mir die schrecklichsten Szenarien aus. Vielleicht war auch der Wirt ein Spitzel von Lord Templeton!
Dann saß ich in der Falle!
Kraftlos ließ ich mich auf den Stuhl sinken und wäre beinahe wieder heruntergekippt, da ein Bein davon gefährlich nach hinten abknickte. Ich stand fluchend auf und gab ihm einen Tritt und setzte mich schließlich auf das muffige Bett, das mir für mich alleine viel zu groß vorkam. Ich schniefte leise, stützte mein Gesicht in die Handflächen und weinte.
Um was genau, wußte ich selber nicht.
21
Unter Fremden
Es klopfte.
Ich schrak hoch und starrte die Türe an. Wer konnte das bloß sein und sollte ich es wagen, überhaupt jemandem öffnen? Verdammt, Seamus hatte mir nichts davon gesagt. Nun hieß es, Mut zu beweisen und sich nichts anmerken zu lassen. Ich räusperte mich und rief mit fester Stimme: „Wer ist da?“
„Ich bin’s, Ma’am. Die Wirtin. Ich stell’ Ihnen ‘n Tablett vor die Tür.“
Die schweren schlurfenden Schritte entfernten sich wieder. Schnell sprang ich auf und horchte. Tatsächlich, die Person stieg langsam die Treppen wieder herunter, ich konnte es deutlich hören. Erleichtert wollte ich den Riegel entfernen, doch ein neuer schrecklicher Gedanke hielt mich zurück. Was, wenn jemand vor der Tür wartete?
Vor meinem inneren Auge sah ich dort Lord Peter stehen, grinsend und schmierig - oder noch schlimmer, meinen tobenden Vater! Mein Herz begann wie wild zu klopfen, aber der Magen knurrte unerbittlich und übertönte mein Herz.
„Ach verdammt“, sagte ich laut zu mir und stampfte leicht auf. „Alles Unfug. Und ich habe Hunger.“
Kurzentschlossen öffnete ich die Tür und zog das Tablett herein, von dem es herrlich duftete und dampfte. Neben dem heißen Mahl hatte man auch nicht vergessen, zwei kleine Krüge dazu zu stellen, einer gefüllt mit Wasser und einer mit Rotwein. Dankbar setzte ich mich wieder an den Tisch, nachdem ich den Riegel wieder sorgfältig vorgeschoben hatte und stürzte mich auf diese Köstlichkeiten.
Das Tablett hatte ich restlos geplündert und kaum ein Krümel war noch übrig, denn in letzter Zeit kam es nicht so häufig vor, daß ich mich richtig satt essen konnte. Genüßlich aber vorsichtig streckte ich mich auf dem windschiefen Stuhl aus, der wieder bedrohlich zu knarren anfing. Es dunkelte langsam und das Feuer würde auch bald ausgehen. Ich stand auf und sah mich am Kamin um, aber es war kein Brennholz mehr da. Konnte ich es wagen, das Zimmer kurz zu verlassen, um nach ein paar Holzscheiten zu fragen? Dieser Entscheidung würde ich mich erst später widmen. Im Moment war ich pappsatt und strich mir über meinen stramm gefüllten Magen und seufzte wohlig.
Tief sog ich die Luft ein, die für mich trotz allem nach Freiheit roch. Der Essensduft, der noch im Zimmer schwebte, der schwere Geruch der Kerzen, auch wenn diese nur aus stinkenden und qualmendem Talg bestanden und jetzt erst bemerkte ich, was ich noch roch. Das war ich, oder besser gesagt meine Kleidung und entsetzt stellte ich fest: Mein Kleid stank! Schnüffelnd hielt mich mir den Rock an die Nase.
„Puuh, das ist ja ekelerregend“, rief ich leise und war entsetzt.
„Ein Glück, daß Robbie nicht da ist“, sagte ich zu mir. Ich hätte mich in Grund und Boden geschämt.
Augenblicklich stand ich auf und zog mir hektisch das schäbige und schmutzige Kleid vom Leib, ebenso die beiden Unterröcke, die mich im Wald vor größeren Erfrierungen im unteren Bereich bewahrt hatten, jetzt jedoch fehl am Platze waren. Ich nahm mir vor, sie bei der nächsten Gelegenheit auszuwaschen.
Meine Strümpfe, die ihre weiße Farbe längst verloren hatten, hätte ich am Liebsten sofort verbrannt, doch erst mußte ich Ersatz finden. Auch das Leinenhemd war nach intensiverem Betrachten keinen Penny mehr wert. Es hatte viele Risse, sämtliche Farben des Waldes konnte ich darauf
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