Alba und Albion
Feuer.
„Ich habe Sie gar nicht zurückkommen hören.“
„Das mußt du auch noch lernen, wie man sich unsichtbar machen kann.“
Er grinste mich durch seinen dichten Vollbart an und begann, sich mit dem Dolch die Schulter zu kratzen.
„So leise zu laufen, daß man einen nicht hört, ist eine Kunst, die nicht jedes Volk beherrscht.“
„Sie meinen, eine Engländerin würde darin auf ganzer Linie versagen?“ Lachend setzte ich mich näher zum Feuer. „Was mich noch interessiert. Warum nennen Sie Robbie eigentlich Roy?“
„Heißt er denn anders?“
Seamus beschäftigte sich wieder mit seinem Dolch, den er rhythmisch in einen Holzscheit stieß.
„Ich kenne ihn unter Robert oder Robbie.“ Nun war meine Neugierde wieder geweckt und ich mußte den Grund wissen.
„Aye. Er heißt auch Robert. Aber bei uns heißen alle Roberts eben Roy und er auch noch Ruaith. Obwohl Ruaith rot bedeutet. Das hört sich an wie Roy, wird aber etwas anders ausgesprochen. Ruaith, hörst du den Unterschied?
Er sprach die beiden Roys ein paar Mal aus, doch für mich klang beides gleich. Trotzdem gab ich ihm Recht.
„Und wieso rot?“
„Das ist ein Spitzname, unter dem ihn alle auf der Insel kennen.“
„Wie ist er denn dazu gekommen?“
Er hielt in seiner Tätigkeit inne und blickte mich etwas entnervt an.
„Du fragst zuviel“, grummelte er, ergab sich aber dann seufzend in sein Schicksal.
„Er hat den Namen bekommen, als er als junger Bursche Scharlach hatte, wie wir anderen Kinder auch. Er war aber als Einziger richtig schwer krank und am ganzen Körper knallrot. Wir Anderen, die ja auch im Bett lagen, fanden das jedoch nur ziemlich lustig, auch wenn er nicht mit uns lachen konnte. Und Einer sagte dann schließlich, er habe die gleiche Farbe wie ein Krebs und der ist rot. Eben ein Ruaith. Verstehst du?“
Ich lächelte.
„Ja, ich verstehe.“ Noch immer sah ich ihn über das Feuer hinweg an. „Woher kennen Sie ihn?“
Behutsam wischte er sein Messer ab und steckte es wieder in seinen Gürtel.
„Roy oder Robbie“, er nickte in meine Richtung, während er ins Feuer starrte, „ist mit mir aufgewachsen. Wir wurden gemeinsam von seinem Vater unterrichtet. Nicht nur im Lesen und Schreiben, darauf hat sein Vater sehr viel Wert gelegt. Auch in der Kampfeskunst hat er uns die Kniffe und Tricks beigebracht.“ Er hustete leise. „Ich mußte ihm versprechen, stets Seite an Seite mit Roy zu kämpfen. Und das werde ich auch tun.“
Seamus streckte sich gemütlich auf dem Boden aus und schloß die Augen. Ein untrügliches Zeichen, dass er nun nicht mehr reden wollte. Doch so schnell gab ich nicht auf.
„Eine Frage habe ich noch. Gibt es da auf der Insel … äh, hat er bei sich zuhause … äh, nun ja, ist da jemand bestimmtes, der auf ihn wartet? Eine Frau vielleicht?“
So, nun war es heraus, wenn auch in einem ziemlichen Gestammel.
Seamus lachte leise, drehte den Kopf zu mir und blinzelte mich mit einem Auge an. „Was hat er dir denn erzählt?“
„Er hat gesagt, äh, daß er, äh“, ich holte tief Luft. „Er hat gesagt, daß er noch zu haben ist.“
Verdammt, ich wollte es doch von ihm hören.
Zufrieden seufzend legte sich Seamus wieder flach.
„Dann wird es so auch stimmen.“
Nach einer Weile packten wir unsere Habseligkeiten zusammen und machten uns wieder auf den Weg nach Blackpool. Es war für mich sehr schwer, bei seinem Tempo mitzuhalten und hastete ständig hinter ihm her.
„Schau, Mädel. Da vorne ist der Wald zu Ende. Wir werden die Straße suchen und dann bringe ich dich in einen Gasthof.“
Während er sprach, stieß er enorme Dampfwolken aus.
„Ich will aber nicht alleine bleiben“, rief ich. „Bitte nehmen Sie mich doch mit.“
Flehend sah ich zu ihm empor und rieb mir meine fast erfrorenen Finger. Schon zum viertel Mal bat ich ihn darum und immer wieder gab er mir die gleiche Antwort. Genervt blieb er nun stehen und ich lief fast auf ihn auf. Er drehte sich um und blickte ernst auf mich herab, während ich mit großen, flehenden Augen hinauf schaute.
„Ich weiß, du machst dir Sorgen um Roy. Aber keine Angst, Mädel. Ich bringe ihn dir zurück.“
Nachdenklich rieb er sich die Nase. „Er kommt zwar alleine gut zurecht, aber zu Zweit ist alles einfacher.“
Seufzend blickte ich auf das Dorf, das sich vor uns ausbreitete.
„Ich habe aber Angst“, rief ich.
„Das brauchst du nicht. Es wird dir nichts geschehen. Das verspreche ich dir im Namen deines Mannes.“ Mit
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