Alba und Albion
für die anderen Mädels, die etwas älter sind als ich.“
„Wie alt bist du?“
„Sechzehn.“
„Aber das ist doch ein gutes Alter zum Heiraten.“
Sie blickte auf. „Ja, das stimmt. Aber meine Familie möchte einen Mann für mich, der auch in den Clan paßt. Und Michail ist Ire.“
Nun mußte ich seufzen. „Ich finde das irgendwie romantisch.“
„Wenn es einen nicht selbst betrifft, ist es das bestimmt.“ Ihre Stimme hörte sich inzwischen etwas belegt an. „Kannst du dir vorstellen, daß ich Tag und Nacht nur an ihn denken kann? Ich habe ein schlechtes Gewissen deshalb, weil ich meine Familie dabei fast vergesse.“
Sehnsüchtig blickte ich ins Leere. „Ja. Ich verstehe dich. Mir geht es genauso.“
Ich ging zum Fenster und beugte mich etwas, um nach draußen sehen zu können. Der Wind blies heute sehr stürmisch und der Regen peitschte gegen die Glasscheiben. Eine leichte warme Hand legte sich auf meine Schulter. Alisa blickte über mich hinweg und sprach so leise, daß ich fast nichts verstand, aber ihre Traurigkeit war unüberhörbar.
„Es wird so kommen, wie es sein muß. Du wirst deinen Robbie wiederfinden und ich“, sie seufzte schwer, „wenn ich Glück habe, finde ich auch einen guten Mann wie du. Und eine ebensolche Liebe.“
Langsam drehte ich mich um und nahm sie in die Arme. Da sie kleiner als ich war, konnte ich meinen Kopf auf ihren Scheitel legen.
„Ich bin mir sicher, du wirst glücklich werden. Egal, ob es jetzt dein Michail ist oder ein Anderer.“
„Aber ich will doch nur ihn.“
Sie schniefte und minutenlang standen wir mitten im Raum und hingen unseren Gedanken nach, die sich nur um unsere Liebe drehte. Ich überlegte krampfhaft, wie ich sie aufmuntern konnte, aber mir viel nichts ein und antwortete mit lahmer Stimme: „Ich weiß.“
Wir gingen zusammen zum Tisch zurück und nahmen unsere Arbeit wieder auf. Dann kam mir eine Idee. Erfreut über diesen neuen Gedanken griff ich um den Tisch nach ihrer Hand.
„Weißt du was? Vielleicht ist es ganz gut so, wenn du einige Zeit von zuhause weg bist. So wird er sich wundern, wieso er dich nie beachtet hat. Du kehrst zurück als hübsche, junge Frau!“
„Meinst du wirklich?“
Nun konnte mich nichts mehr aufhalten. Ich ging um den Tisch herum und nahm ihre Haare in die Hand.
„Aber ja doch. Du hast ein liebes Gesicht und wundervolles Haar. Laß mich mal machen.“
Ich löste ihre hellbraune dicke Mähne und bürstete sie aus. Sie hatte wundervolles und kräftiges Haar und im Nu hatte ich sie auf eine andere Art gesteckt. Als ich Alisa zum Spiegel zog, blickte sie mit großen Augen hinein.
„Das ist ja unglaublich.“ Sie schluckte. „Ich sehe ja ganz anders aus.“
Dabei hatte ich nicht viel verändert. Der strenge Knoten, den sie im Nacken hatte, wurde von mir nach oben gesetzt, seitlich zwei dickere Locken gedreht und alles mit Bändern und Klemmen festgesteckt. Nun sah sie wie eine junge Dame aus, wenn man mal von ihrer Kleidung absah. Sie war zwar sauber, aber auch sehr einfach geschnitten. Zaghaft berührte sie ihre neue Frisur und zweifelnd blickte sie mich über die Schulter an.
„Ich trau’ mich gar nicht, so nach unten zu gehen. Mein Onkel wird sich denken, ich sei jetzt übergeschnappt!“
„Laß es darauf ankommen“, lachte ich.
„Aye. Das ist aber keine Frisur zum Arbeiten.“
Da mußte ich ihr allerdings recht geben. Ich blickte ihr in Gedanken in die Augen und tippte mir dabei mit dem Finger auf den Mund. Dann wußte ich die Lösung. Ich nahm sie am Arm und drückte sie leicht.
„Mach’ es doch so: Tagsüber diesen“, ich senkte die Stimme „Altweiberknoten, und wenn du zur Kirche oder zu einem“, wieder senkte ich sie, „Rendezvous gehst, dann eben mit Locken.“
22
Herzklopfen am Abend
Ein Tag verging wie der Andere.
Nichts passierte.
Ich wollte die inzwischen beengende Kammer nicht verlassen, da ich zuviel Angst vor den Soldaten hatte, die regelmäßig hier einkehrten.
Es war langweilig.
Trostlos.
Und ich fühlte mich einsam.
Eigentlich hatte ich gar keine Lust, das Bett zu verlassen, doch einige Heuspelter, die die Matratze füllten, pieksten mich. Ganz zu schweigen von dem geräuschvollen Knistern, wenn ich mich mal umdrehte. Genervt stand ich schließlich auf. Ein hastiger Blick aus dem Fenster verriet mir, daß die Sonne in Kürze die Nacht wieder zum Tag machen
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