Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
raus!«, Renner legte mit gerunzelter Stirn auf.
»Aber Sie wissen, dass am Güterbahnhof Leute stehen, die auf Arbeit warten?«, nahm Renan den Faden wieder auf.
»Ja, sicher«, entgegnete Renner, »da standen schon immer Männer. Das hat mein Vater vor vierzig Jahren schon erzählt. Na ja, damals waren das natürlich keine Russen, sondern solche, die ein bisschen … also, die halt etwas auf dem Kerbholz hatten und die sonst keiner einstellen wollte. Aber von den Deutschen will ja heute gar keiner mehr arbeiten. Wenn Sie einen Arbeitslosen einstellen, ist der nach zwei Tagen gleich für zwei Wochen krank und dann fällt ihm ein, dass er sich ja den Rücken verletzt hat und überhaupt nicht mehr über zehn Kilo heben darf. Erst letzten Monat hat mir das Arbeitsamt wieder so einen geschickt …«
»Entschuldigung«, Renan rang um Geduld, während ihre Halsschlagader pulsierte wie ein Bohrhammer, »ich bin unter einem gewissen Zeitdruck. Können Sie mit Sicherheit sagen, dass in Ihrer Firma niemals einer von diesen Tagelöhnern gearbeitet hat? Würde niemand außer Ihnen so eine Aushilfe anheuern?«, sie zeigte ihm das Foto des Mordopfers.
»Also, in meinem Betrieb bin immer noch ich der Chef«, empörte sich der Meister.
»Dann haben Sie diesen Mann hier noch nie gesehen?«
»Man sieht so viele Leute … auf jeden Fall hat er nie für mich gearbeitet!«
»Gut, das wollte ich nur mit Sicherheit wissen«, beschwichtigte sie, »kennen Sie vielleicht einen Kollegen oder Konkurrenten, der manchmal Tagelöhner anheuert?«
»Hhmm«, er kratzte sich das unrasierte Kinn, »einer oder zwei würden mir da schon einfallen.«
Das Handy klingelte wieder.
Zur gleichen Zeit befand sich Alfred auf einer Baustelle am westlichen Stadtrand. Es handelte sich um eines jener Fabrikgebäude aus rotem Klinkerstein, die nach und nach in Lofts umgebaut wurden. Die letzten dreißig Jahre hatte der Komplex als Müllhalde, Spielplatz und Obdachlosenunterkunft gedient, bis ein Architekt einmal daran vorbeigefahren war und beschlossen hatte, hier eine Heimstatt für die junge Oberschicht zu errichten. Die Südseite der Wohnungen schaute auf den malerischen Wiesengrund, die Räume waren bis zu vier Meter hoch und man hatte das erhabene Gefühl, sich am Schauplatz einer neuen deutschen Kinokomödie zu befinden, wenn da nicht die staubige Luft und der intensive Geruch nach Kalk gewesen wären, von kleineren Schutthaufen in jedem zweiten Zimmer mal ganz abgesehen. Nach einer längeren Suchaktion in den verschiedenen Stockwerken der Anlage war Alfred schließlich auf Herrn Klein getroffen, seines Zeichens Fensterbaumeister und Inhaber der Firma Dröhner GmbH. Er überzeugte sich gerade vom tadellosen Einbau mannshoher Fenster durch seine Gesellen und bestritt zunächst massiv, jemals Tagelöhner vom Güterbahnhof beschäftigt zu haben.
»Nein, nein, meine Firma ist sauber«, versicherte er, »so etwas wäre ja Schwarzarbeit.«
»Hören Sie, ich bin weder vom Zoll noch von der Gewerbeaufsicht«, Alfred war gezwungen, mit erhobener Stimme zu sprechen, da sich Kleins Personal zwei Räume weiter wieder lautstark ans Werk gemacht hatte, »und ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Sie mit solchen, sagen wir, kurzfristigen Aushilfskräften einen ordnungsgemäßen Arbeitsvertrag abschließen und ebenso ordnungsgemäß Steuern und Sozialabgaben zahlen.«
»Ich habe ja auch nichts zu verbergen«, sagte der Handwerker unschuldig.
»Selbstverständlich«, sagte Alfred und setzte sich neben den Unternehmer auf einen breiten Stapel Zementsäcke. »Rauchen Sie?«
»Will seit Jahren damit aufhören«, seufzte Klein und fingerte eine von Alfreds Selbstgedrehten aus dem silbernen Etui, »aber bei dem Stress …«
Alfred ließ dem Mann ein paar Züge Verschnaufpause und präsentierte dann das Foto des Toten.
»Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen, oder hat er vielleicht sogar für Sie gearbeitet?«
»Also, wenn Sie glauben, dass das einer vom Güterbahnhof ist«, er betrachtete das Bild eingehend, »dann muss ich mal meine Gesellen fragen.«
»Das wäre sehr freundlich.«
»Dieter, Heiko«, brüllte Klein nach links, »kommt mal her!«
»Also, eines muss ich Ihnen schon sagen, Frau ähm …«
»Müller.«
»Frau Müller. Ich bin ein Todfeind der Gewerkschaften«, der Elektromeister Steiner lief neben Renan her und öffnete die Tür zu seinem Lager, »wenn hier einer auftaucht, der zu diesem Verein gehört und von mir Arbeit
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