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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bronnenmeyer
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kaum noch voneinander zu unterscheiden waren. Wir leben in einer Einheitswelt, dachte er bei sich, kaufen Einheitskleidung in Einheitsmodehäusern, schaufeln Einheitsessen in unsere Einheitsmägen und sehen das Einheitsprogramm im Einheitsfernsehen. Was der Kommunismus in fünfzig Jahren nicht geschafft hatte, erledigte nun die Globalisierung mit Unterstützung der Unternehmensberater in einem Bruchteil der Zeit. So weit war es schon gekommen, dass die Polizei auch bald vereinheitlicht sein würde. Leute wie Herbert machten aus seiner Arbeit einen Einheitsdienst, den jeder Einheitspolizist gleichermaßen einheitlich erledigen konnte – und nach Feierabend gab’s ein warmes Einheitsbier. Na, dann prost!
    Alfred blickte nach rechts und sah sein Spiegelbild im Fensterglas. Die Reflektion war gnädig. Den Kampf gegen die grauen Haare hatte er bereits vor zehn Jahren aufgegeben. Das stundenlange Gefummel mit einer Pinzette vor dem Badezimmerspiegel hatte ja doch keine nachhaltigen Erfolge gebracht. Ansonsten pflegte er regelmäßig seine Augenbrauen und stutzte die Nasenhaare, so dass er zumindest im Fensterflügel noch ganz manierlich aussah.
    Mit der Eitelkeit war das so eine Sache. Eigentlich war er ja früher ein Sympathisant der 68er-Bewegung gewesen, die ihn am Ende der Pubertät mit voller Wucht getroffen hatte. Wie es sich gehörte, hatte er sich mit seinem Vater wegen der übertriebenen Spießigkeit und des unaufgearbeiteten Nazi-Erbes überworfen und war mit neunzehn in eine WG gezogen. Die Wertschätzung seines Äußeren machte es ihm jedoch unmöglich, einen verfilzten Bart zu tragen oder sich die Haare ungewaschen bis zur Gürtellinie wachsen zu lassen. Das, gepaart mit einigen anderen Abweichungen wie z.B. der Vorliebe für schicke Autos, stempelte ihn schon fast zum Konterrevolutionär und war letztendlich mit verantwortlich für seine Entscheidung, zur Polizei zu gehen. Andernfalls wäre er sicherlich Soziologe oder Lehrer geworden. Er wäre in ein Gostenhofer Hinterhaus gezogen, hätte Umstürze geplant, gegen den Nato-Doppelbeschluss, die atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf und zahlreiche Castor-Transporte demonstriert. Er hätte an der Universität das Anti-Faschismus-Referat leiten und als DKPler oder Grüner für den Stadtrat kandidieren können. Heute würde er in einem liebevoll sanierten Gostenhofer Vorderhaus leben und mit anderen Mitgliedern der gesetzten Szene die immer gleichen Kneipen frequentieren, das politische Desinteresse der Jugend beklagen und dazu italienischen Bio-Chianti schlürfen.
    Er schnippte die Zigarette weg und rieb sich seufzend die Augen. Gerechterweise musste er zugeben, dass auch er nicht allzu weit gekommen war. Der geplante Marsch durch die Institution Polizei hatte ein jähes Ende gefunden, als er eine Familie ernähren musste und überdies noch einem Kollegen namens Herbst zugeteilt wurde. Gerne hätte Alfred sich als Polizeichef für einen toleranteren Umgang mit Demonstranten eingesetzt, Wirtschaftskriminellen ordentlich zugesetzt und schließlich die Arbeitsbedingungen für den Streifendienst verbessert – doch dazu hatte er noch keine Gelegenheit erhalten.

VII. ABHÄNGIGKEITSGRUNDLAGEN
    Es gab verschiedene KGB-Schulen in der Sowjetunion. Nikolai wurde der Schule Nr. 367 in Irkutsk zugewiesen, Jewgenji kam nach Nowosibirsk. Der Geheimdienst war für sie der beste und vor allem schnellste Weg gewesen, um dem Fronteinsatz in Afghanistan zu entrinnen. Die Rote Armee traf in jenem unterentwickelten Land auf unerwartet heftige Gegenwehr und es war bereits in den ersten Kriegsjahren abzusehen, dass es noch Jahre dauern würde, die Mudschaheddin endgültig zu besiegen. Den Soldaten stand noch ein sehr langer, zermürbender Guerilla-Krieg bevor. Schlimmer als im Hindukusch konnte es beim Geheimdienst auf keinen Fall sein. Die Zulassung zum Dienst im KGB war kein Kinderspiel gewesen, es bedurfte einwandfreier Führungszeugnisse, man musste Parteimitglied und obendrein noch überzeugter Sowjetbürger sein. Nikolai und Jewgenji nahmen all diese Hürden auch deswegen, weil sie verdiente Afghanistan-Kämpfer waren.
    Vor der endgültigen Zulassung stand aber für jeden noch ein persönliches Gespräch mit dem KGB-Chef des jeweiligen Militärbezirks. Nikolai musste dazu bei Generalmajor Sinajew antreten, einem untersetzten, kahlköpfigen Apparatschik, dessen Gesichtszüge starke Ähnlichkeit mit einer Dogge aufwiesen. Sein Büro befand sich im zweiten Stock eines

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