Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
presste Göttler hervor.
»Danke. Auch wir haben natürlich ein ausgeprägtes Interesse daran, dass diese Entführung schnellstmöglich beendet wird, und ich begrüße Ihre Tatkraft in dieser Sache. Wir dürfen aber keinesfalls die Großwetterlage aus den Augen verlieren. Ich möchte Sie daher bitten, keine Beamten abzuziehen, die an Delikten arbeiten, die in Zusammenhang mit unserer – nicht zu unterschätzenden – Aussiedlerproblematik stehen. Dies betrifft hauptsächlich die Milieukriminalität, aber auch diesen bewussten Mordfall …«
»Aber …«, Göttler hob den Zeigefinger.
»Es besteht Konsens zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Polizeipräsidenten«, sprach Frau Schwarz ruhig, aber bestimmt weiter, »dass wir nicht dabei zusehen wollen, wie sich Angehörige dieser ohnehin problematischen Bevölkerungsgruppe nun auch noch gegenseitig umbringen. Es wäre ein fatales Signal, hier die Ermittlungen schleifen zu lassen. Zumal unsere Polizei in solchen Entführungsfällen ja noch Verstärkung vom Landeskriminalamt bekommt; Sie verstehen das sicher«, lächelte sie.
»Das stellt überhaupt kein Problem dar«, lächelte Herbert gequält zurück. »Nun muss ich noch ein paar mahnende Worte bezüglich der Großdemonstration in München verlieren, an der – wie ich gehört habe – auch eine nicht geringe Anzahl von Ihnen teilnehmen möchte …«
Anna Schwarz war Anfang vierzig, dunkelhaarig, groß, elegant und hatte aus unerfindlichen Gründen eine gewisse Schwäche für einen gewissen Hauptkommissar, der sie eines Abends im strömenden Regen vom Gericht bis nach Hause gefahren hatte, als ihr eigenes Auto nicht ansprang. Dienstlich hatten sie nur selten etwas miteinander zu tun, weil Anna Schwarz sich hauptsächlich mit Jugendkriminalität beschäftigte. Dadurch lagen ihr aber die Spätaussiedler besonders am Herzen. Ihre Wege kreuzten sich entweder, wenn Alfred im Zusammenhang mit dem Tod eines Jugendlichen in den Zeugenstand gerufen wurde, oder wenn verschiedene Vertreter der Staatsanwaltschaft an Sommerbällen, Weihnachtsfeiern oder ähnlichen Veranstaltungen der Polizei teilnahmen. Regelmäßig kamen sie dabei ins Gespräch und es zeigte sich immer wieder, dass sie in vielen Dingen einer Meinung waren und die Chemie zwischen ihnen stimmte. Wenn er nur zehn Jahre jünger wäre und nicht verheiratet … oder sie zehn Jahre älter und nicht in einer festen Beziehung …
»Sie hatten völlig Recht, mich von dieser, ja, sagen wir ›Ansprache‹ in Kenntnis zu setzen«, sagte sie und zog kräftig an ihrer Slim-Line-Zigarette.
»Ich habe schon so etwas Ähnliches befürchtet«, nickte Alfred ebenfalls rauchend, »und dass er so eine Show hinter dem Rücken der Staatsanwaltschaft abzieht, ist ja auch typisch!«
Alfred, Renan und Anna Schwarz standen auf dem Gang vor dem Lehrsaal III. Göttler war sofort nach seiner Rede wieder verschwunden und hatte eine Meute wild diskutierender Polizisten zurückgelassen.
»Effizienz ist die Effektivität, also die Wirksamkeit unter Berücksichtigung der Kosten«, äffte Renan den Chef nach.
»McKinsey«, Heinrich gesellte sich zu ihnen.
»Was?«
»Seit ein paar Monaten kursieren Gerüchte, dass Leute von McKinsey in der Chefetage ihr Unwesen treiben«, Heinrich steckte die Hände in die Hosentaschen, lehnte sich an die Wand und blickte herausfordernd in die Runde.
»McKinsey?«, Anna Schwarz zog die Augenbrauen hoch, »interessant!«
»Anscheinend haben sie mittlerweile alle Banken, Versicherungen und sonstigen Großkonzerne in Deutschland durch«, nickte Alfred, »nur logisch, dass sie sich nach neuen Opfern umsehen … wobei sich in diesem Fall ganz sicher eher der gute Herbert nach ihnen umgesehen hat!«
»Ich habe auch den Eindruck, dass sich hier jemand auf Kosten der Qualität profilieren will«, sagte Anna während ihre Augen den Gang nach einem Aschenbecher absuchten.
»Dürfte ich Ihnen aushelfen?«, fragte Alfred galant, während er ein silbernes Döschen aus der Hosentasche zog.
»Ein Taschenaschenbecher«, sagte Anna amüsiert. »Sie überraschen mich immer wieder, Herr Kommissar«, kopfschüttelnd schnippte sie die Asche in das kleine Blechgefäß.
»Was sagt denn eigentlich die Staatsanwaltschaft zu solchen Plänen?«, fragte Heinrich.
»Ich fürchte, dass ich Ihnen da nicht viel helfen kann«, seufzte Anna Schwarz. »Wir können zwar Einfluss darauf nehmen, wie und ob welcher Fall bearbeitet oder beendet wird, aber wir können einem
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