Albert Schweitzer
Verwandten, die rechtzeitig emigriert waren, auch Freundevon Albert. Sie nutzte diesen USA-Aufenthalt, um Kontakte zu knüpfen und Interesse für Lambarene zu wecken. Sie hielt während dieses bis April 1938 währenden Amerika-Besuches insgesamt 28 Vorträge, durch die sie neue Freunde für Schweitzers Spital gewinnen konnte und damit maßgeblich dazu beitrug, dass Lambarene in den bevorstehenden schlimmen Kriegsjahren, in denen die Spenden aus Europa nur spärlich fließen sollten, finanziell einigermaßen unbeschadet überleben konnte. Tochter Rhena – inzwischen neunzehnjährig – absolvierte während des Amerika-Aufenthalts einen Sekretärinnenkurs und belegte Vorlesungen in Psychologie.
Obwohl der inzwischen in die Vereinigten Staaten emigrierte Arzt Max Gerson ihr dringend davon abriet, reiste Helene per Schiff zu ihrem Mann nach Afrika, wo sie im Mai 1938 eintraf. Rhena blieb in den USA. Mutter und Tochter trafen sich im Herbst in Europa wieder; im November 1938 brachen beide erneut nach Amerika auf, blieben bis Frühjahr 1939 und reisten über Bordeaux wieder zu Albert in den Gabun. Rhena sah zum ersten Mal Lambarene; sie war beeindruckt vom Spital. Nach nur sechs gemeinsamen Wochen in Afrika reisten die beiden Frauen zurück in die europäische Heimat.
Albert war im Januar 1939 noch einmal für kurze Zeit ins Elsass zurückgekehrt, um Medikamente und Lebensmittel für Lambarene zu kaufen. Schon nach wenigen Tagen Aufenthalt reiste er noch mit demselben Schiff, das ihn nach Europa gebracht hatte, wieder nach PortGentil zurück. Sein längster Aufenthalt in Afrika begann; Schweitzer hat während der gesamten Dauer des Zweiten Weltkriegs Europa nicht mehr wiedergesehen. Er kehrte erst im Oktober 1948 in die Heimat zurück.
Die Kriegsjahre waren für Lambarene äußerst schlimm: Sowohl die personelle Situation (Mangel an medizinischen Fachkräften wegen der Kriegssituation in Europa) als auch die finanzielle und materielle Versorgung bereiteten dem Urwalddoktor größte Sorgen. Für Helene und Rhena war diese Zeit der neuerlichen Trennung schier unerträglich: Die Ungewissheit, wie es ihrem Mann in Afrika ging, die eigene angespannte Situation im vom Krieg geschüttelten Heimatland, die ständige Angst, man würde sich vielleicht nicht mehr wiedersehen – all das zehrte an ihren Nerven und belastete sie seelisch schwer. Sie entschloss sich schließlich im Frühjahr 1941, zu ihrem Mann zu fahren, weil sie die Ungewissheit nicht mehr zu ertragen vermochte. Unter abenteuerlichsten, gefährlichen Umständen und erst nach Überwindung langwieriger bürokratischer Probleme gelang es Helene, über die Schweiz, Bordeaux, Lissabon und Angola am 2. August 1941 Lambarene zu erreichen. Sie war überglücklich, ihren Mann bei guter Gesundheit vorzufinden. So weit es ihre Gesundheit erlaubte, arbeitete Helene wieder im Spital mit. Nur durch Spenden aus Amerika (die durch Helenes dortiges Engagement zustande gekommen waren) und aus England konnte sich das Spital in den Kriegsjahren einigermaßen überWasser halten. Gemeinsam konnten die Schweitzers im Januar 1945 Alberts siebzigsten Geburtstag in Lambarene feiern. Im September 1946 verließ Helene Afrika; es war die längste Zeit, die sie gemeinsam mit Albert in Afrika verbracht hatte.
Vom unmittelbar bevorstehenden Ende des Krieges erfuhr Schweitzer am 7. Mai 1945. Bei aller Erleichterung darüber gab es jedoch genügend Anlass zur Trauer, denn vor allem aus Helenes jüdischer Verwandtschaft und Bekanntschaft hatten einige liebe Menschen den braunen Terror nicht überlebt. Auch Schweitzers erster ärztlicher Mitarbeiter in Lambarene, Victor Nessmann, war 1944 von der Gestapo ermordet worden. Eine auch im privaten Bereich überaus traurige Bilanz des Nazi-Irrsinns.
Am Abend jenes 7. Mai nahm Albert ein Buch des von ihm sehr geschätzten chinesischen Philosophen Laotse (604–520 v. Chr.) zur Hand, in dem er die bemerkenswerten Worte fand: „Die Waffen sind unheilvolle Geräte, nicht Geräte für den Edlen. Nur wenn er nicht anders kann, gebraucht er sie ... Er siegt, aber er freut sich nicht daran. Wer sich daran freuen würde, würde sich des Menschenmordes freuen ... Menschen töten in großer Zahl soll man beklagen mit Tränen des Mitleids. Darum soll, wer im Kampfe siegt, weinen wie bei einer Trauerfeier“ (zitiert nach Oermann).
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Schweitzer blieb noch bis Oktober 1948 in Lambarene. Seine Anwesenheit im Spital war
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