Albert Schweitzer
präsent, wie man dasvon ihm gewohnt war. Spätestens am 28. August wurde es für alle Mitarbeiter offensichtlich, wie schlecht es um den körperlichen Zustand Schweitzers bestellt war: Unmittelbar nach dem Frühstück zog er sich auf sein Zimmer zurück, entschuldigte sich bei seiner Tochter damit, dass er sehr müde sei. Wenige Tage später – am 2. September – unternahm Schweitzer zum letzten Mal einen Rundgang durch die Spitalanlage, begleitet von der langjährigen Gefährtin Ali Silver und dem designierten medizinischen Nachfolger Walter Munz. Zu ihnen sagte er in seinem vertrauten Elsässer Dialekt: „Aber das Spital het doch e Scharm – findet ihr nit oi?“ (Aber das Spital hat doch Charme – findet ihr nicht auch?“).
Etwa zwei Wochen vor seinem Tod war aus Deutschland ein Buch eingetroffen: „Begegnungen mit Albert Schweitzer“. Am 3. September verlangte der zunehmend müde und geschwächte Doktor nach einem Buch. Man gab ihm diesen Sammelband, doch er blätterte nur noch darin und wirkte wie geistesabwesend. In seinen letzten beiden Lebenstagen war die geliebte Musik Schweitzers ständige Begleiterin. Über sein Grammophon spielte man ihm Musik von Bach und Beethoven vor. Am Samstag, dem 4. September, fanden sich die Patres der Katholischen Mission zum Abschied ein. Afrikaner kamen einzeln oder in Gruppen zum Spitalgelände, um den verehrten „Docteur“ zu seiner letzten großen Reise zu geleiten. Eine Afrikanerin sang in der Galoasprache ein wehmütiges Abschiedslied: „Großer Doktor, Ihr seidgekommen, uns zu pflegen, uns zu heilen, kranke und lepröse Afrikaner. Habt Dank, und Eure Reise möge still verlaufen.“ Die letzte Musik, die Schweitzer hörte, war von Beethoven (die Angaben der Biografen, um welches Stück es sich handelte, variieren).
Schweitzers letzte Worte, bevor er am Abend des 4. September das Bewusstsein verlor, waren: „Wie wunderschön!“ Eine halbe Stunde vor Mitternacht erlosch das irdische Leben dieses großen Menschen, der bis heute zu den meistgenannten Vorbildern der Jugend zählt.
Schweitzer wurde auf dem Spitalfriedhof von Lambarene beigesetzt, dort, wo auch schon die sterblichen Überreste seiner Frau Helene ihre letzte Ruhe gefunden hatten.
Wir haben Albert Schweitzers Lebensweg in Umrissen kennengelernt. 45 Jahre sind vergangen, seit der große Menschen- und Schöpfungsfreund diese Erde verlassen hat. Doch sein geistiges Vermächtnis ist präsent, durch den umfangreichen Nachlass aufs Neue zur denkerischen Herausforderung geworden und angesichts der drängenden Probleme dieser Welt aktueller denn je.
Und Lamabarene lebt. Helenes und Alberts Lebenswerk ist mehr als irgendein Krankenhaus im fernen Afrika. Lambarene ist und bleibt als Stätte des Heilens ein Symbol praktizierter Nächstenliebe, ein Ort, an dem die Menschen beseelt sind vom verbindenden Geist der Ehrfurcht vor dem Leben.
Schweitzer, Dr. Percy und der Krankenpfleger Pierre Piebye bei der Untersuchung einer Kranken
Das Werk: Lambarene
Lambarene – der Name ist Programm. Ursprünglich lautete er in der Sprache des Galoa-Volkes
Lembareni
, das heißt übersetzt „Wir wollen es versuchen“. Könnte es einen treffenderen Namen geben für jenen Ort, an dem Albert Schweitzer zusammen mit seiner Frau Helene im April 1913 sein ärztliches und seelsorgerisches Wirken begann? Und könnte es eine schönere Bezeichnung geben für diese Stätte der Heilung, an der Schweitzer bis zu seinem Tod im September 1965 tätig war? Und schließlich: Ist dieser Name nicht eine Ermutigung für alle, denen der Fortbestand des Spitals, das 2013 sein hundertjähriges Bestehen feiert, am Herzen liegt?
In diesem Buch liegt der Schwerpunkt auf der Lebensgeschichte Albert Schweitzers und auf seinem geistigen Vermächtnis. Doch es wäre unvollständig ohne eine (wenn auch knappe) Darstellung des humanitären Werkes, das Helene und Albert Schweitzer im afrikanischen Urwald geschaffen und mit viel Improvisationsgeschick, oft unter größten Schwierigkeiten am Leben erhalten haben.Es kann hier nicht darum gehen, eine Geschichte des Urwaldspitals zu schreiben. Dies haben andere, berufenere Schweitzer-Freunde getan. Jo und Walter Munz etwa, die sich in Lambarene kennen und lieben lernten, in dem Buch „Mit dem Herzen einer Gazelle und der Haut eines Nilpferds“. Oder Marie Woytt-Secretan, die 1979 den Text-Bildband „Albert Schweitzers Lambarene lebt“ herausgab.
Albert Schweitzer mit der Katze Sissi am Schreibtisch in
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