Albert Schweitzer
möchte ich euch noch, wie oft ich mir die Frage gestellt habe: Was hättest du denn getan, wenn du nicht hierher gekommen wärest? In meinen Überlegungen kam ich immer zu demselben Ergebnis: Ich war ein Glückspilz, dass ich nach Lambarene gegangen bin, denn in Lambarene habe ich gefunden, was ich suchte: Liebe, Vertrauen, Hilfsbereitschaft und nützliche Arbeit ... [Man achte auf die Reihenfolge!]. Ich gestehe euch: Hier, unter euch, fühle ich mich zu Hause, und wenn ich irgendwo anders hingekommen wäre, so weiß ich nicht, ob alle diese Gefühle der Sympathie zwischen denen, die hier wohnen, und mir, der ich hierher gekommen bin, entstanden wären. Tatsache ist, dass die Sympathie zwischen uns entstanden ist und dass ich zu euch gehöre bis zu meinem letzten Atemzuge. Ich danke euch für all die Sympathie, die ihr mir erwiesen habt.“
Albert Schweitzer mit seiner Tochter Rhena, Lambarene 1963
Das zweite große, weltweit gewürdigte und in Lambarene gefeierte Ereignis der späten Jahre war der neunzigste Geburtstag Schweitzers am 14. Januar 1965. Der damalige Präsident des Gabun, Lèon M’ba erwies Schweitzer die Ehre; die Hauptstraße des Ortes Lambarene wurde zu Ehren des Jubilars auf „Boulevard Dr. Albert Schweitzer“ getauft. Glückwünsche aus aller Welt erreichten den Neunzigjährigen. Wieder hielt Schweitzer eine von aufrichtigem Dank getragene Ansprache an seine Mitarbeiter. Darin hieß es: „Hier an diesem Tisch, in diesem Raum, feiern wir voll Freude den Geburtstag. Wasallerdings für mich, in meinem Leben, in erster Linie in Betracht kommt, das ist mein Hospital. Und nun seid ihr hier. Ihr, die im Hospital arbeiten, die Freunde und Bekannten, die im Hospital sind und die dabei helfen, dass es weitergeführt werden kann. Und da wir hier zusammensitzen, gedenke ich des Beginns dieser Arbeit. Ich sehe in meiner Erinnerung diejenigen, die zuerst mit mir zusammengearbeitet haben unter mühevollen und schwierigen Umständen. Keiner von ihnen lebt mehr. Aber ich denke an sie, die den Mut gehabt haben, diese Gründung mit mir vorzunehmen. Und ich denke an die Lebenden, die hier sind, und an alle, die schon in früheren Generationen mit mir gearbeitet haben, damit dieses Hospital zustandekommen konnte. Denn es war etwas Abenteuerliches, das ich im Sinn hatte, und ich fühlte und fürchtete es, und alles, was ich gefühlt und gefürchtet hatte, ist auch eingetreten. Aber es ging doch immer weiter vorwärts, und ich kann es selbst nicht mehr schildern, wie wir miteinander den Weg zur Gründung und zum Aufbau des Spitals fanden. Wir fanden miteinander die richtige Weise, auf die einfachste Art dieses Hospital zu führen und einen Geist zu gründen, der es weiterhin trug.“
Wie viele alte Menschen, die dem Tod „entgegenreifen“, spürte auch Schweitzer, dass seine Lebenskräfte schwanden und seine irdische Zeit sich dem Ende zuneigte. Schon im Sommer 1964 hatte er sich – so makaber das wirken mag – „vorsorglich“ einen eigenenHolzsarg gezimmert. Seine größte Sorge nach dem neunzigsten Geburtstag galt verständlicherweise der Zukunft des Hospitals, vornehmlich seiner Nachfolge in der Leitung des Krankenhauses. Nach reiflicher Überlegung und nicht ohne Bedenken in die dazu erforderliche eigene Leistungsfähigkeit stimmte der junge Schweizer Arzt und langjährige Vertraute Walter Munz zu, die medizinische Leitung der Urwaldklinik zu übernehmen. Ein Glücksgriff für Schweitzer und eine große Sorge um sein Lebenswerk weniger. Munz war sein Wunschkandidat, und er sollte das in ihn gesetzte Vertrauen nach Schweitzers Tod vollauf rechtfertigen. Noch heute – selbst längst im „Pensionsalter“ – ist Walter Munz zusammen mit seiner Frau Jo ein treuer Freund des Schweitzerschen Lebenswerkes, unermüdlich besorgt um das Wohl Lambarenes.
Die administrative Leitung sollte nach Schweitzers Tod in die Hände der Tochter Rhena Schweitzer-Eckert übergehen – auch dies eine glückliche Übereinkunft, denn Rhena blieb dem Spital bis zu ihrem Tod im Februar 2009 verantwortungsvoll verbunden.
Nachdem diese bedrückenden Fragen am 23. August 1965 mit der offiziellen Benennung Rhenas als künftiger Spital-Leiterin geklärt waren, nahmen Schweitzers Lebenskräfte rapide ab. Das Lepradorf besuchte er nur noch mit dem Jeep, weil der Weg zu Fuß zu beschwerlich geworden war. Er fehlte gelegentlich bei den gemeinsamen Mahlzeiten, zog sich immer häufiger zurück und war in Lambarene nicht mehr so
Weitere Kostenlose Bücher