Albert Schweitzer
und Kind verschieben,weil eine Hungersnot ausgebrochen war und sich unter den geschwächten Menschen eine Ruhr-Epidemie, eine lebensbedrohliche Durchfallerkrankung, ausgebreitet hatte. Es gab keinen anderen Ausweg für ihn, als das Spital in weiträumigeres Gelände zu verlegen, damit er die ansteckenden Patienten von den anderen Kranken separieren konnte. Eine mühsame, arbeitsintensive Bauphase begann. In dem drei Kilometer entfernten Gebiet, wo man auch die Pflanzung angelegt hatte, entstand das dritte Spital. Dabei konnte sich Schweitzer seine inzwischen erworbenen Kenntnisse als „Tropenarchitekt“ zunutze machen: „Alle Bauten wurden von Ost nach West ausgerichtet, damit die äquatoriale Sonne nicht auf ihre Längsseiten schien und sie unnötig erhitzte. Breite Vordächer schützten gegen den Regen. Die Stirnseiten der Häuser blieben unter dem Dach auf beiden Seiten offen, sodass durch den Wird eine natürliche Belüftung entstand. Die Zimmer hatten in ihren Holzdecken weite Öffnungen, die mit feinem Drahtnetz ausgespannt waren, sodass die Moskitos nicht eindringen konnten. Auf diese Weise zog der Wind unter dem Dach die erwärmte Luft der Zimmer in die Höhe, sodass die Räume trotz tropischer Hitze ein angenehm kühles Klima hatten. Die Seitenwände der Zimmer waren aus solidem Holzgitter gebaut, in dessen große offene Zwischenräume ebenfalls das feinmaschige Moskitogeflecht eingearbeitet war. So entstand auch in der Nord-Süd-Richtung ein wohltuender Luftstrom.Die Gebäude wurden auf Holzpfähle gestellt, damit die tropischen Regengüsse unter den Böden durchfließen konnten. Später wurden diese Pfähle durch Träger aus Stein ersetzt. Schweitzer war auf diese seine selbst erfundene Bauweise stolz. Alles verwendete Holz war von sehr harter Art, teuer zwar, doch er wollte es härter als die Zähne der Termiten“ (zitiert nach Munz).
Anfang 1927 war es dann so weit. Auf Schiffen wurde das ganze Spital von Andende flussaufwärts an den neuen Standort verlagert. Dankbar äußerte sich Schweitzer: „Den ersten Abend im Spital werde ich niemals vergessen. Von allen Feuern und aus allen Moskitonetzen schallte mir entgegen: Das ist eine gute Hütte, Doktor, eine gute Hütte! Voll Dank schaue ich zu Gott empor, der mich solche Freude erleben ließ. Zum ersten Male, seitdem ich in Afrika wirke, sind meine Kranken menschenwürdig untergebracht. Tief bewegt denke ich der Freunde des Spitals in Europa. Im Vertrauen auf ihre Hilfe durfte ich die Verlegung des Spitals wagen und die Bambushütten durch Wellblechbaracken ersetzen.“
Bei diesem Standort sollte es bleiben. Doch im Lauf der Jahre machte es die kontinuierlich wachsende Zahl an Patienten nötig, dass unablässig weitergebaut wurde. Die Anzahl der Krankenunterkünfte musste erweitert werden; Wege wurden befestigt, Straßen gebaut, um nicht nur per Schiff, sondern auch mit Kraftfahrzeugen erreichbar zu sein. Einem Haus mit vierzig Betten für die Frischoperierten gab Schweitzer den namen „Bouka“, zuEhren seines ersten und getreuen Operationspflegers Bouka Joseph.
Die katastrophale Zeit des Zweiten Weltkriegs konnte das Spital nur durch die großzügige Hilfe vor allem aus England und den USA überstehen. Hier hatte sich Helene in selbstloser Weise verdient gemacht, indem sie in zahllosen Vorträgen auf die bedrohliche Lage des Spitals aufmerksam machte und so Spenden und Medikamente für Lambarene aufbringen konnte.
Während der ersten beiden Spitalphasen (1913–1917 und 1924–1927) war Schweitzer jeweils ohne Unterbrechung in Lambarene tätig. Die dritte Phase (1927–1965) war immer wieder durch längere Europa-Aufenthalte und die Amerika-Reise unterbrochen.
Wenige Monate vor seinem Tod, am 9. Juni 1965, schrieb Albert Schweitzer an seinen Freund und Weggefährten, den Kinderarzt Prof. Dr. Hermann Mai in Münster: „Lieber Freund. Nachdem ich meinen 90. Geburtstag gut überstanden habe, suche ich wieder Ordnung in meiner Korrespondenz zu machen. Man hat mich in einer Weise gefeiert, die ich nicht erwartet hatte. Tief beeindruckt hat mich, dass meine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben ihren Weg in die Welt macht. Gesundheitlich geht es mir gut. Ich kann alle Arbeit ohne jegliche Anstrengung machen. Zurzeit bauen wir noch ein Haus für die Kranken. Ich fing mit einem Spital von 50 Betten an. Jetzt ist es eines von 560 Betten ... Baldwird es eines von 600 Betten sein. Aber dann mache ich Halt. Wann kommst du wieder zu uns? Herzlich dein Albert
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