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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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errötete angesichts der unbedachten Verallgemeinerung ihrer eigenen sicheren Position. Sie wußte, daß es in den Geisteswissenschaften viele Arbeitslose gab, die hochtalentiert waren und bereit, fast jeden Job anzunehmen.
    »Das ist schon merkwürdig«, sagte Alina, als sie in Kates Zimmer saßen. »Ich hatte gedacht, die Frau, die Alberta Ashby gewesen sein könnte, wäre auch auf der Suche nach einer Stellung, und ich habe sie gefragt, ob sie schon entsprechende Gespräche vereinbart hätte. Sie schien von dieser Frage überrascht, was mich wiederum überraschte. Dann habe ich leider ihre Spur verloren.«
    »Ich wüßte gern alles über das Seminar in Houston, wenn es Ihnen recht ist«, sagte Kate.
    »Aber sicher. Der Kongreß in Houston war ziemlich schrecklich und daher in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert. Wir sind nach Houston gegangen, weil Illinois und Louisiana die entsprechenden Verträge mit der MLA nicht ratifiziert hatten, eine Entscheidung, die ich voll und ganz unterstütze; dennoch war ich nicht wenig verblüfft, mich in Houston wiederzufinden; ich hatte mir nicht einmal klarge-macht, daß Texas zugestimmt hatte. Später habe ich erfahren, daß Texas die Ratifizierung gern zurückgezogen hätte, was wieder einmal beweist, wie merkwürdig das Leben manchmal spielt. Sicher hätte man New Orleans oder Chicago vorgezogen.«
    »Und Sie glauben, Alberta Ashby war gekommen, um Ihr Referat über Charlotte Stanton zu hören?«
    »Ja. Sie kam anschließend zu mir und sagte, wie sehr ihr das Referat gefallen habe. Merkwürdig, an welche Dinge man sich erinnert.
    Wahrscheinlich, weil sie mir schon vorher aufgefallen war, als sie so dasaß und besonders aufmerksam zuhörte. Sie war groß, recht elegant gekleidet, mit Hose und Bluse, Anfang vierzig, ein paar Jahre mehr oder weniger. Könnte das Ihre Mrs. Ashby sein?«
    »Allerdings. Wie wir wissen, hatte sie großes Interesse an Charlotte Stanton, ihrer Tante ehrenhalber, bei der sie die Sommer in Oxford verbrachte.«
    »Aber Sie haben ihre Spur verloren.«
    »Leider, ganz und gar. Das ist der Grund, warum alles, was Sie mir sagen können, so wichtig ist. Übrigens, könnte ich wohl Ihr Referat über Charlotte Stanton sehen?«
    »Aber sicher; ich habe Ihnen eine Kopie mitgebracht.«
    »Können Sie sich noch an andere Referate erinnern?«
    »Eigentlich nicht. Um ehrlich zu sein, ich fand sie weder interessant noch bedeutend. Alle anderen Romanschriftsteller aus Oxford waren Männer; aber Sie werden das Programm gesehen haben. Ich fürchte, es gab da eine gewisse Geringschätzung für meine so populäre Schriftstellerin, obwohl ich glaube, die meisten Zuhörer kamen ihretwegen – und vielleicht wegen Robert Graves.«
    »Beide haben populäre Romane über das alte Griechenland und Rom geschrieben, nicht wahr?«
    »Ja, ja, das stimmt schon, obgleich ich mich nicht erinnern kann, worauf man damals hinauswollte. Es war eine dieser Podiumsveran-staltungen, bei denen die Diskussions-Teilnehmer nicht wirklich aufeinander eingehen; jeder handelt sein eigenes Thema ab und beantwortet am Ende die Fragen, die an ihn persönlich gestellt werden.
    Unter den Zuhörern war ein ständiges Kommen und Gehen – was bei der MLA zwar immer der Fall ist, mir aber damals noch schlimmer vorkam. Das war auch der Grund, warum mir die Ashby sofort auf-fiel; sie saß nur einfach da, mit dem Gesicht zum Podium, hörte zu und gab einem das Gefühl, angehört zu werden; dieses Gefühl ist sehr angenehm, aber leider selten.«

    »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte Kate. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ich habe mir gerade einen Vorrat besorgt.«
    »Danke, einen Wein hätte ich gern«, sagte Alina. Als Kate ihr das Glas reichte, fügte sie hinzu: »In Wirklichkeit finde ich diese Kongresse immer sehr deprimierend; jedes Jahr schwöre ich mir, nicht wieder hinzugehen. Aber in der Gegend von Idaho, aus der ich komme, gibt es keine ordentlichen Buchhandlungen; ich genieße es, die Buchausstellungen anzusehen und zu hören, was sich auf ein paar Gebieten so tut, die mich interessieren. Und da ich schließlich an einer Arbeit über eine Schriftstellerin sitze, ist es sinnvoll, mit Leuten zusammenzukommen, die ebenfalls an schreibenden Frauen interessiert sind. Auch das gibt es zu Hause kaum. Aber es herrscht überall so ein starker Konkurrenzkampf, und das ist entmutigend. Ich frage mich oft, was wohl Charlotte Stanton aus solch einer Situation gemacht hätte.«
    »Haben Sie sich mehr

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